Bei Jugendlichen mit Skoliose verkrümmt sich die Wirbelsäule und ist in sich verdreht. Die Skoliose im Jugendalter hat meist keine bekannte Ursache und wird dann „idiopathisch“ genannt. Sie entwickelt sich fast nur während des Wachstums.
Oft bleibt es bei einer leichten Krümmung. Eine Behandlung ist dann nicht nötig. Wichtig ist aber, die Wirbelsäule alle paar Monate ärztlich kontrollieren zu lassen, bis ihr Wachstum abgeschlossen ist. Dadurch lässt sich frühzeitig erkennen, ob die Krümmung zunimmt und eine Behandlung sinnvoll ist.
Mittelstarke Krümmungen und fortschreitende Skoliosen werden oft mit einem orthopädischen Korsett behandelt. Dadurch kann die Krümmung der Wirbelsäule aufgehalten werden.
Bei sehr starken Krümmungen kann eine Operation nötig werden. Dabei werden mehrere Wirbelkörper miteinander verbunden, um die Wirbelsäule wieder aufzurichten.
Eine Skoliose löst nur selten Beschwerden aus. Manche Jugendliche berichten über Rückenschmerzen oder Verspannungen im Schulterbereich. Ob dies an der Skoliose liegt, ist aber oft unklar, da die meisten Menschen ohnehin ab und zu Rückenschmerzen haben.
Die Skoliose zeigt sich vor allem durch sichtbare Veränderungen des Oberkörpers: Rücken, Schulter, Brust und Hüfte können unsymmetrisch sein oder schief stehen. Die Verkrümmung fällt vor allem auf, wenn man sich nach vorne beugt: Dann bilden die Rippen auf einer Seite einen sichtbaren Buckel.
Die Wirbelsäule kann unterschiedlich stark verkrümmt sein. Der Grad der Verkrümmung – der sogenannte Cobb-Winkel – wird mit einem Röntgenbild bestimmt.
Bei etwa 80 % der Jugendlichen mit Skoliose verkrümmt sich die Brustwirbelsäule nach rechts (siehe Grafik). Krümmungen im Bereich der Lendenwirbelsäule sind seltener. Manchmal krümmt sich die Wirbelsäule sowohl im Brust- als auch im Lendenbereich. Dies ist ebenfalls eher selten.
Skoliose: Beim Vorbeugetest sichtbare Verkrümmungen der Brustwirbelsäule
Die Ursachen der Skoliose im Jugendalter konnten bisher nicht geklärt werden. In der Medizin spricht man daher von einer „adoleszenten, idiopathischen Skoliose“ (adoleszent = im Jugendalter auftretend, idiopathisch = unbekannter Ursache). Mit „Jugendalter“ ist die Zeit zwischen dem zehnten Geburtstag und dem Abschluss des Wirbelsäulenwachstums gemeint.
Eine Skoliose hat nichts mit „schlechter Haltung“ zu tun: Niemand kann etwas dafür, wenn ein junger Mensch Skoliose entwickelt. Es sind auch keine Möglichkeiten bekannt, dem vorzubeugen.
Ein bekannter Risikofaktor ist eine familiäre Veranlagung: Bei schätzungsweise 10 % der Jugendlichen mit Skoliose waren auch die Mutter oder der Vater betroffen. Expertinnen und Experten gehen außerdem davon aus, dass das Risiko für eine Skoliose steigt, wenn die verschiedenen Teile der Wirbelsäule ungleichmäßig wachsen.
Schätzungsweise 2 % aller Jugendlichen zwischen 10 und 16 Jahre haben eine Skoliose. Bei den meisten von ihnen ist die Wirbelsäule aber nur leicht verkrümmt:
Mädchen haben häufiger eine Skoliose als Jungen, und sie haben sehr viel häufiger eine ausgeprägte Form.
Ob sich die Wirbelsäule weiter verkrümmt oder nicht, lässt sich nicht sicher vorhersagen. Anhand des Krümmungsgrads (Cobb-Winkel) und der Skelettreife lässt sich aber zumindest abschätzen, wie eine Skoliose verläuft: Je stärker die Krümmung und je unreifer die Knochen, desto eher schreitet die Skoliose fort. Wenn das Knochenwachstum abgeschlossen ist, verformt sich die Wirbelsäule hingegen nicht mehr weiter – außer bei sehr starken Skoliosen mit einem Winkel über 50 Grad.
Die Skelettreife kann eine Ärztin oder ein Arzt anhand eines Röntgenbilds des Beckenkamms bestimmen: Je verknöcherter der Beckenkamm ist, desto ausgereifter sind die Knochen. Diese Entwicklung wird in Stadien von 0 bis 5 eingeteilt, auch Risser-Stadien genannt. Ein Risser-Stadium von 0 bedeutet, dass das Knochenwachstum noch in vollem Gange ist, ein Risser-Stadium von 5, dass es vollständig abgeschlossen ist.
Die folgende Tabelle gibt für unterschiedliche Krümmungswinkel und Reifestadien an, wie wahrscheinlich es ist, dass die Skoliose zunimmt.
Verkrümmung (Cobb-Winkel) | Skelettreife (Risser-Stadium) | Wahrscheinlichkeit, dass die Skoliose zunimmt |
---|---|---|
11 bis 19 Grad | 0 bis 1 | 20 % |
2 bis 4 | 2 % | |
20 bis 29 Grad | 0 bis 1 | 68 % |
2 bis 4 | 23 % |
Skoliosen mit einem Cobb-Winkel unter 10 Grad bewegen sich im Rahmen normaler Abweichungen und sind nicht behandlungsbedürftig.
Wie Skoliosen von über 30 Grad verlaufen, ist kaum bekannt. Das liegt auch daran, dass solche starken Skoliosen spätestens dann behandelt werden, wenn sie fortschreiten. Sehr starke Skoliosen mit einem Winkel über 50 Grad nehmen im Laufe des Lebens allerdings fast immer zu, wenn sie nicht behandelt werden.
Wirbel und Bandscheiben können sich bei einer Skoliose stärker abnutzen. Dann kann es im Erwachsenenalter zu Rückenschmerzen kommen – vor allem, wenn die Skoliose im Bereich der Lendenwirbelsäule auftritt. Weil Rückenschmerzen aber ohnehin weit verbreitet sind, ist es oft schwer zu sagen, ob sie tatsächlich durch die Skoliose ausgelöst werden. Studien zum Zusammenhang zwischen Rückenschmerzen und Skoliose zeigen widersprüchliche Ergebnisse.
Bei extremen Verkrümmungen können die Rippen auf Herz und Lunge drücken. Dies kann mit zunehmendem Alter zu Kurzatmigkeit führen und die Pumpleistung des Herzens beeinträchtigen. Solche Komplikationen sind aber sehr selten.
Für Frauen mit Skoliose gibt es keine medizinischen Gründe, die gegen eine Schwangerschaft sprechen: In Studien verlief die Schwangerschaft bei den meisten Frauen mit Skoliose so wie bei Frauen ohne verkrümmte Wirbelsäule. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass eine Schwangerschaft die Skoliose verstärkt.
Bei der Diagnose werden zunächst andere mögliche Formen und Ursachen der Verkrümmung ausgeschlossen, wie zum Beispiel unterschiedlich lange Beine. Dazu fragt die Ärztin oder der Arzt
Anschließend untersucht die Ärztin oder der Arzt die Körperhaltung und Anatomie. Für die körperliche Untersuchung muss man sich bis auf die Unterwäsche ausziehen, damit Fehlstellungen richtig erkannt werden können. Dabei wird geprüft,
Beim Vorbeugetest beugt man den Oberkörper im Stand und bei durchgestreckten Knien nach vorne, lässt die Arme hängen und legt die Handflächen aufeinander.
Um zu beurteilen, wie ausgeprägt die Skoliose ist, und ihren Verlauf abzuschätzen, sind weitere Untersuchungen nötig:
Ermittlung des Cobb-Winkels
Zur Behandlung von Skoliose gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Welche Behandlung sich eignet, hängt außer vom Grad der Krümmung und der Skelettreife auch von den eigenen Wünschen und Vorstellungen ab.
Sport und Bewegung können eine Skoliose nicht aufhalten, sind aber als begleitende Behandlung sinnvoll. Sie können das allgemeine Wohlbefinden und die Fitness verbessern, die Rückenmuskulatur stärken und helfen, Rückenschmerzen vorzubeugen. Für Personen, die ein Korsett tragen, ist es besonders wichtig, die Rückenmuskulatur zu trainieren.
Es ist nicht belegt, dass andere Behandlungen wie zum Beispiel Chiropraktik oder elektrische Stimulationsbehandlungen eine Skoliose beeinflussen können.
Oft kann eine Skoliose ambulant behandelt werden. Wenn sie zu starken Beschwerden führt, ambulante Behandlungen nicht ausreichen oder die Lebensqualität stark beeinträchtigt ist, kann auch eine Rehabilitation infrage kommen. In Deutschland bieten verschiedene spezialisierte Rehabilitationszentren eine stationäre Skoliose-Behandlung an, die etwa 3 bis 6 Wochen dauert. Sie kann unter anderem Physiotherapie, Schulungen – etwa zum Umgang mit dem Korsett – und auch Unterstützung bei psychischen Belastungen infolge einer Skoliose beinhalten.
Jugendliche machen sich oft Sorgen, wenn sie die Diagnose Skoliose bekommen – denn gerade in diesem Alter möchte man dazugehören und nicht „anders sein“. Die oft langwierige Behandlung, zum Beispiel mit einem orthopädischen Korsett, wirft zudem viele Fragen auf: Komme ich mit dem Korsett zurecht? Was kann ich jetzt noch anziehen? Wie werden andere darauf reagieren?
In der Pubertät habe ich meinen Eltern gesagt: „Es reicht. Ich will endlich mal Klamotten tragen, die nicht fünf Nummern zu groß sind.“
Die gute Nachricht ist, dass sich die Einschränkungen durch die Erkrankung meist viel weniger auf Freundschaften, Hobbies und Freizeitaktivitäten auswirken, als man zuerst glaubt.
Zeit und Geduld brauchen vor allem die Umstellungen im Alltag. Oft dauert es einige Wochen, um sich zum Beispiel an das Tragen des Korsetts zu gewöhnen und die nötige Routine im Umgang damit zu bekommen. Auch die Physiotherapie in den Tagesablauf einzubauen, kann Zeit brauchen.
Bei all den Herausforderungen, die eine Skoliose mit sich bringt, ist es wichtig, sich klar zu machen, dass sie eine gut behandelbare Erkrankung ist und die Therapie ein absehbares Ende hat. Auch in schwierigen Phasen ist es oft hilfreich, an die positiven Dinge im eigenen Leben zu denken und optimistisch zu bleiben: Die meisten Jugendlichen mit Skoliose haben ein ganz normales Leben vor sich.
Auch der Austausch mit gleichaltrigen Betroffenen kann helfen, mit der Skoliose zurechtzukommen – zum Beispiel in einer Selbsthilfegruppe vor Ort oder im Internet.
Für Eltern ist es wichtig, die Sorgen ihrer Kinder ernst zu nehmen und sie in Fragen rund um die Behandlung einzubeziehen. Denn wenn sie ihre Erkrankung und Behandlung verstehen und wissen, was auf sie zukommt, fällt es ihnen meist leichter, damit umzugehen. Eltern können ihre Kinder auch dazu ermutigen, ihre Fragen der Ärztin oder dem Arzt zu stellen. Dabei hilft es, sich die Fragen vorher zu notieren, um sie nicht zu vergessen.
Die Hausarztpraxis ist meist die erste Anlaufstelle, wenn man krank ist oder bei einem Gesundheitsproblem ärztlichen Rat braucht. Informationen zur Gesundheitsversorgung in Deutschland helfen dabei, sich im Gesundheitssystem zurechtzufinden und eine passende Arztpraxis zu finden. Mit dieser Frageliste kann man sich auf den Arztbesuch vorbereiten.
Für Jugendliche mit Skoliose gibt es in Deutschland zahlreiche Angebote zur Unterstützung. Dazu gehören Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen. Eine Liste von Anlaufstellen hilft, passende Angebote zu finden und zu nutzen.
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IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen.
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Aktualisiert am 03.01.2024
Nächste geplante Aktualisierung: 2027
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