Das Ohr nimmt Schallwellen auf und übersetzt sie in Nervenreize. Damit man Töne und Geräusche bewusst wahrnehmen und zum Beispiel als Sprache oder Musik erkennen kann, müssen diese Reize im Gehirn weiterverarbeitet werden. Wer schwerhörig ist, nimmt Sprache und Geräusche nur eingeschränkt wahr.
Schwerhörigkeit bei Kindern kann verschiedene Ursachen haben, zum Beispiel eine Infektion. Wenn sich die Auslöser und damit die Schwerhörigkeit nicht beseitigen lassen, können verschiedene Hörgeräte oder eine Hörprothese (Cochlea-Implantat) helfen. Ohne Behandlung kann bei kleinen Kindern die Sprachentwicklung gestört sein.
Kommt es bei Erwachsenen zu Schwerhörigkeit und Taubheit, passiert das vor allem im höheren Alter.
Wenn das Hören nur leicht eingeschränkt ist, versteht ein Kind zum Beispiel nicht, wenn man ihm etwas zuflüstert.
Bei mäßig ausgeprägter Schwerhörigkeit kann ein Kind nur laute, bei starker Schwerhörigkeit nur sehr laute Geräusche hören. Bei einer Gehörlosigkeit (auch Taubheit genannt) kann es Töne und Geräusche nur als Vibrationen wahrnehmen.
Je nach Ursache können beide Ohren oder nur eins betroffen sein. Bei einer Mittelohrentzündung treten noch weitere Symptome wie Fieber und Schmerzen auf.
Hörstörungen bei Neugeborenen oder kleinen Kindern fallen oft nicht gleich auf. Wenn Eltern sie bemerken, dann meist deshalb, weil ihr Kind nicht – oder nicht mehr – auf Geräusche reagiert. Oder das Kind nur dann bemerkt, dass man mit ihm spricht, wenn es auch das Gesicht der sprechenden Person sieht.
Verschiedene Grade von Schwerhörigkeit
Es gibt verschiedene Ursachen für Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit bei Kindern. Einige führen schon vor der Geburt dazu, dass sich das Gehör nicht normal entwickelt. Bei einer erblich bedingten Ursache ist oft nur der Hörsinn beeinträchtigt, manchmal aber auch die Funktion anderer Organe – etwa der Nieren, der Augen, des Herzens oder der Schilddrüse.
Wenn eine Schwangere an einer Infektionskrankheit wie Zytomegalie, Röteln oder Toxoplasmose erkrankt, kann unter anderem das Gehör des ungeborenen Kindes geschädigt werden. Auch bestimmte Antibiotika, Krebsmedikamente sowie Drogen und Alkohol können die Entwicklung des Gehörs beeinträchtigen. Wenn das Kind bei einer komplizierten Geburt zeitweise zu wenig Sauerstoff bekommt, kann das Gehör ebenfalls Schaden nehmen.
Nach der Geburt sind vor allem Infektionen mit Bakterien oder Viren mögliche Ursachen. Zu vorübergehenden Einschränkungen kommt es oft, wenn das Mittelohr nicht mehr gut belüftet wird und sich dort Flüssigkeit ansammelt (sogenannter Paukenerguss). Das kann zum Beispiel bei vergrößerten Mandeln oder infolge einer Mittelohrentzündung passieren. Bleibende Hörstörungen sind seltener. Sie können etwa als Komplikation bei einer Hirnhautentzündung (Meningitis), Masern oder Mumps auftreten.
Lärm ist allgemein schädlich für die Ohren – etwa bei häufigem Musikhören über zu laut eingestellte Kopfhörer. Hörstörungen sind auch durch einen lauten Knall möglich – etwa wenn Feuerwerkskörper oder Spielzeugpistolen nah vor dem Ohr explodieren. Selten sind Verletzungen des Schädels die Ursachen.
Etwa 1 bis 3 von 1000 neugeborenen Kindern haben eine mäßige oder stärkere, beidseitige bleibende Hörstörung. Bei noch einmal so vielen Kindern entwickelt sie sich in den folgenden Jahren. In Deutschland leben schätzungsweise 80.000 Kinder mit stark eingeschränktem Gehör. Weltweit gibt es etwa 32 Millionen Kinder mit Hörproblemen.
Eine Hörstörung kann unterschiedlich verlaufen: Ist zum Beispiel eine Mittelohrentzündung, ein Paukenerguss oder ein mit Ohrenschmalz verstopfter Gehörgang die Ursache, ist die Schwerhörigkeit nur vorübergehend. Fehlbildungen sowie angeborene oder erworbene Schädigungen des Innenohrs führen meist zu einer dauerhaften Schwerhörigkeit oder Gehörlosigkeit.
Wenn ein Kind seit seiner Geburt oder in den ersten Lebensjahren schwerhörig oder gehörlos ist und unbehandelt bleibt, lernt es nur schwer oder gar nicht zu sprechen. Das kann sich auf viele Bereiche seines Lebens und seine Entwicklungsmöglichkeiten auswirken.
Wenn der Verdacht besteht, dass ein Kind nicht oder nicht mehr gut hört, werden seine Ohren untersucht. Die Ärztin oder der Arzt schaut sich die Ohren zunächst genau an. Bei einer Ohrspiegelung wird nach Entzündungen im Gehörgang oder Problemen im Mittelohr gesucht.
Um Art und Schweregrad der Hörstörung festzustellen, sind verschiedene Hörtests wichtig. Dabei werden den Kindern zum Beispiel über Kopfhörer lauter werdende Töne vorgespielt und sie müssen sagen, ab wann sie etwas hören können. Bei kleineren Kindern können die Untersuchungen spielerisch gestaltet werden. Manchmal hält die Ärztin oder der Arzt einem Kind auch eine schwingende Stimmgabel in festgelegter Abfolge an den Kopf und vor die Ohren. Dabei wird geprüft, wie lange der Ton der Stimmgabel gehört wird. Die Ärztin oder der Arzt kann mit solchen Tests nicht nur erkennen, ob ein Ohr schlechter hört als das andere, sondern auch, ob das Problem im Mittelohr oder im Innenohr liegt.
Um herauszufinden, was die genaue Ursache ist und welche Behandlungen möglich sind, werden oft weitere Tests und Untersuchungen gemacht: Zum Beispiel können die Schwingungen des Trommelfells genauer gemessen werden (Tympanometrie).
Das Hörvermögen von Säuglingen wird routinemäßig direkt nach der Geburt getestet, um angeborene Hörstörungen möglichst früh zu erkennen.
Babys können nicht sagen, ob sie etwas hören oder nicht. Bei ihnen sind Untersuchungen wie der Stimmgabeltest wenig sinnvoll. Bei der Früherkennung wird deshalb die Aktivität der Sinneszellen oder des Gehirns gemessen, wenn den Kindern Töne vorgespielt werden. Aus den Messwerten lässt sich schließen, wie gut das Gehör funktioniert.
Lärm kann das Gehör schädigen. Bei Kindern und Jugendlichen spielt vor allem Musikhören über Kopfhörer eine Rolle. Es ist noch nicht ausreichend erforscht, ab welcher Lautstärke sich das Risiko für eine spätere Hörbehinderung erhöht. Denn es kommt auch darauf an, wie lange die Ohren Lärm ausgesetzt sind. Fachleute raten dazu, Musik über Kopfhörer pro Tag nicht länger als eine Stunde mit mehr als der Hälfte der maximal einstellbaren Lautstärke zu hören.
Erblich bedingten Hörstörungen lässt sich nicht vorbeugen. Bei einem erhöhten Risiko kann ein Paar mit Kinderwunsch eine genetische Beratung in Anspruch nehmen – etwa wenn ein oder beide Partner seit der Geburt schwerhörig oder gehörlos sind, oder auch mehrere Verwandte.
Um das Risiko für Entwicklungsstörungen des Gehörs während der Schwangerschaft zu senken, gilt für werdende Mütter:
Impfungen sind auch für Kinder wichtig, um Erkrankungen zu vermeiden, die zu Schwerhörigkeit führen können – etwa Masern oder Mumps.
Manchmal lässt sich eine Schwerhörigkeit ursächlich behandeln – zum Beispiel, wenn sich im Mittelohr Flüssigkeit angesammelt hat.
Lässt sich ein Gehörschaden nicht beheben, kommt ein Hörgerät infrage. Es verstärkt die Schallwellen und lenkt sie ins Innenohr. Dazu muss das Ohr noch einen Rest an Hörvermögen haben.
Bei Gehörlosigkeit oder wenn Hörgeräte nicht helfen können, eignet sich in der Regel ein sogenanntes Cochlea-Implantat. Dieses Gerät ermöglicht es, akustische Reize wahrzunehmen.
Wenn Hörgeräte oder Cochlea-Implantate genutzt werden, können sogenannte Übertragungsanlagen zusätzlich unterstützen. Sie senden akustische Informationen direkt an die Hörhilfe. Solche Anlagen können zum Beispiel an ein im Schulunterricht aufgestelltes Mikrofon gekoppelt werden. Die Kosten werden von den Krankenkassen in der Regel übernommen. Auch eine pädagogische Förderung der Kinder kann in Anspruch genommen werden.
Wenn Eltern feststellen, dass ihr Kind hörbehindert ist, sind sie zunächst meist bestürzt und sorgen sich um die Entwicklung und Zukunft ihres Kindes. Besonders bei schweren Hörstörungen können viele Untersuchungs-, Behandlungs- oder Rehatermine den Alltagsrhythmus bestimmen, manchmal in weit entfernten Spezialkliniken.
Informationen sind in dieser Phase sehr wichtig: Eltern sollten sich mit den Ärztinnen und Ärzten ausführlich beraten können und zusätzlich schriftliche Informationen zur jeweils vorliegenden Erkrankung erhalten, die auch Behandlungsmöglichkeiten verständlich und ausgewogen erklären. Hilfreich sind zudem Beistand und Unterstützung durch Familie und Freunde, eine professionelle Gesundheitsberatung oder der Austausch mit anderen betroffenen Eltern in einer Selbsthilfegruppe.
Viele Eltern beruhigt es zu erfahren, dass sich ein Kind trotz Hörstörung genauso gut entwickeln kann wie hörende Kinder. Doch dazu gilt es, einige Herausforderungen zu meistern: Hat ein Kind Schwierigkeiten, sich zu verständigen, kann das dazu führen, dass es sich in einer Regelschule oder auch bei Hobbies und Sport ausgegrenzt fühlt.
Hörgeräte oder Hörprothesen können helfen. Damit sie eine gute Kommunikation mit anderen ermöglichen, sind allerdings ein geduldiges Training und viel Förderung durch die Eltern nötig. Dies kostet Zeit und Kraft. Viele Eltern fühlen sich ihrem Kind dadurch aber auch besonders verbunden. Es fällt ihnen leicht, Lernerfolge wertzuschätzen oder allgemein gelassen zu sein. Einige finden es schön, dass sie sich aktiv für bessere Bedingungen für das eigene Kind, aber auch für gehörlose Menschen generell engagieren können.
Die Haus- oder Kinderarztpraxis ist meist die erste Anlaufstelle, wenn man krank ist oder bei einem Gesundheitsproblem ärztlichen Rat braucht. Wir informieren darüber, wie man die richtige Praxis findet, wie man sich am besten auf den Arztbesuch vorbereitet und was dabei wichtig ist.
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Erstellt am 10.02.2021
Nächste geplante Aktualisierung: 2024
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)