Muskelzerrungen und Muskelfaserrisse gehören zu den häufigsten Sportverletzungen. Besonders gefährdet sind die Muskeln vorne und hinten am Oberschenkel und an der Wade.
Die meisten Muskelverletzungen entstehen bei schnellen oder abrupten Lauf- und Drehbewegungen, etwa beim Fußballspielen, und machen sich direkt schmerzhaft bemerkbar. Wie lange die Heilung dauert, ist individuell unterschiedlich und hängt von der Art der Verletzung ab.
Sowohl eine Muskelzerrung als auch ein Muskelfaserriss machen sich direkt bei einer Bewegung bemerkbar, meist beim Sport. Das unterscheidet sie von einem Muskelkater, der erst 1 oder 2 Tage nach der Anstrengung spürbar wird.
Typische Anzeichen für eine Muskelzerrung sind
Typische Anzeichen für einen Muskelfaserriss sind
Wenn Muskelfasern reißen, ist oft ein Reißgeräusch zu hören. Bei tiefen Rissen oder wenn der Muskel vollständig durchtrennt wird, kann das betroffene Bein nachgeben und ein Sturz die Folge sein.
Die Schmerzen eines Muskelfaserrisses verstärken sich, wenn man auf die verletzte Stelle drückt oder den Muskel dehnt. Manchmal bildet sich ein sichtbarer Bluterguss (Hämatom). Oft ist bei einer Muskelverletzung auch eine Schwellung sichtbar.
Weil der verletzte Muskel wehtut, wenn man ihn bewegt, nehmen Betroffene häufig eine Schonhaltung ein. Typisch bei einer Oberschenkelverletzung ist beispielsweise Humpeln, um das Hüft- und Kniegelenk weniger zu beugen.
Eine Muskelzerrung oder ein Muskelfaserriss kann entstehen, wenn ein Muskel überlastet oder überdehnt wird, etwa bei einer schnellen, plötzlichen oder unkontrollierten Bewegung.
Die vordere und hintere Oberschenkel-Muskulatur ist besonders gefährdet, weil sie über das Hüft- und das Kniegelenk zwei gegensätzliche, aber gleichzeitig ablaufende Bewegungen ausführt: Bei Laufbewegungen wird die Hüfte gestreckt, während das Knie gebeugt wird – und umgekehrt.
Muskulatur von Oberschenkel und Wade
Das Muskelinnere besteht aus Muskelzellen, die wie extrem dünne Fäden aussehen und daher auch als Muskelfasern bezeichnet werden. Jeweils etwa 250 Muskelfasern werden durch Bindegewebe zu einem Muskelfaserbündel zusammengefasst. Zahlreiche Muskelfaserbündel sind wiederum zu größeren, bis zu einem halben Zentimeter dicken sekundären Muskelfaserbündeln angeordnet.
Bei einer Muskelzerrung entstehen kleinste Verletzungen innerhalb der Muskelfasern. Die Mikroverletzungen sind im Ultraschall oder in der Magnetresonanztomografie (MRT) nicht sichtbar, führen aber dazu, dass der Muskel schlechter funktioniert.
Bei einem Muskelfaserriss ist die Verletzung stärker: Viele Muskelzellen sowie ein oder mehrere Muskelfaserbündel reißen. Häufig geschieht dies am Übergang von Muskel und Sehne.
Bei besonders tiefen Rissen sprechen Fachleute von einem Muskelbündelriss. Dabei wird ein sekundäres Muskelfaserbündel mit seiner Hülle aus Bindegewebe durchtrennt.
Ist der Muskel vollständig durchtrennt, handelt es sich um einen Muskelriss.
Neben den Muskelzellen werden meist Blutgefäße und manchmal auch Nervenfasern oder Bindegewebe verletzt.
Muskelzerrung, Muskelbündel- und -faserriss
Risikofaktoren für Muskelzerrungen und Muskelfaserrisse sind
Bei raschem Beschleunigen und abruptem Abbremsen sowie bei schnellen Richtungswechseln wirken besonders starke Kräfte auf die Beinmuskeln. Deshalb ist bei Sportarten mit vielen Sprints und plötzlichen Änderungen der Laufrichtung das Risiko für Muskelverletzungen besonders hoch – etwa beim Fußball oder Tennis.
Das Risiko für Muskelverletzungen nimmt mit dem Alter zu.
Muskelverletzungen zählen zu den häufigsten Verletzungen beim Sport. Sie machen grob geschätzt ein Drittel aller Sportverletzungen aus. Meist handelt es sich um leichtere Verletzungen wie eine Muskelzerrung.
Wie schnell der verletzte Muskel wieder belastbar ist, hängt vor allem vom Ausmaß der Verletzung ab – also ob es sich um eine Zerrung oder einen Riss handelt und wie tief der Riss ist. Für die Heilung spielt auch eine Rolle, wie gut die Verletzung nach dem Unfall versorgt wurde – beispielsweise durch Kühlung, Hochlagerung und frühe behutsame Mobilisation.
Die Zeitangaben zum Verlauf sind Richtwerte. Es kann auch länger dauern, bis nach einer Muskelverletzung Übungen oder Training wieder weitgehend schmerzfrei möglich sind.
Muskelzerrungen und Muskelfaserrisse heilen gewöhnlich folgenlos. Bei einem Muskelfaserriss wird der Riss durch neues Gewebe aus Muskelfasern, Nerven und Blutgefäßen geschlossen und verletztes Gewebe repariert. Für erste Stabilität sorgt ein Ersatzgewebe, das schließlich durch Muskelgewebe ersetzt wird.
Bei stärkeren Verletzungen kann sich Narbengewebe bilden, das die Funktion des Muskels einschränken kann. Dieses Risiko ist größer, wenn
Wer gerinnungshemmende Medikamente einnimmt, hat ein erhöhtes Risiko für ein Kompartmentsyndrom. Dabei sammelt sich viel Blut (oder Flüssigkeit) in einem von Bindegewebe umgebenen Muskelraum. Weil es nicht abfließen kann, steigt der Druck und schädigt das Muskelgewebe sowie die Gefäße und Nerven, die den Muskel versorgen. Der Muskel ist geschwollen oder verhärtet und schmerzt stark. Es können auch Gefühlsstörungen wie Kribbeln oder Taubheit auftreten. Ein Kompartmentsyndrom ist eine seltene, ernste Komplikation und muss operiert werden.
Bessern sich die Schmerzen nach einigen Tagen nicht oder besteht der Verdacht auf eine schwerwiegendere Verletzung, ist ein Besuch in der ärztlichen Praxis sinnvoll. Zunächst fragt die Ärztin oder der Arzt, wie genau es zu der Verletzung gekommen ist. Aus dem Unfallhergang und den Symptomen lässt sich die Art der Muskelverletzung bereits grob herleiten.
Im Anschluss wird die verletzte Stelle genauer betrachtet und abgetastet: Hat sich ein Bluterguss (Hämatom), eine Schwellung, Verhärtung oder Delle gebildet oder schmerzt der Muskel bei Druck? Die Ärztin oder der Arzt vergleicht außerdem Kraft und Beweglichkeit zum Beispiel des betroffenen und des unverletzten Beins.
Manchmal werden eine Ultraschalluntersuchung oder ein MRT gemacht, um die Diagnose abzusichern oder andere Verletzungen auszuschließen – etwa einen kompletten Muskelriss oder eine Verletzung von Sehnen oder Knochen.
Um Schmerzen zu lindern und größere Blutungen oder Entzündungsreaktionen im Muskel zu verhindern, haben sich vier Sofortmaßnahmen bewährt, die als PECH-Regel bezeichnet werden:
Muskelzerrungen und Muskelfaserrisse heilen normalerweise von allein. Nach der Ruhepause ist es sinnvoll, mit angepassten Bewegungen zu starten und das Bein nicht zu lange ruhigzustellen. Wichtig ist, dass die Bewegungen nahezu schmerzfrei möglich sind. Ein leichtes Ziehen ist kein Problem. Manchmal überweist die Ärztin oder der Arzt auch an eine Praxis für Physiotherapie, die bei der Regeneration und Vorbeugung einer erneuten Muskelverletzung unterstützen kann.
Gegen die Schmerzen können für wenige Tage frei verkäufliche Schmerzmittel wie Paracetamol oder Ibuprofen eingenommen werden. Wer für einen längeren Zeitraum Schmerzmittel benötigt oder unsicher ist, welches Mittel geeignet ist, lässt sich am besten in der Arztpraxis oder Apotheke beraten.
Zur Behandlung eines Muskelfaserrisses werden außerdem verschiedene Mittel und Verfahren angeboten. Hierzu zählen Salben, Bandagen oder das Taping, bei dem ein elastisches Klebeband (Kinesio-Tape) die Spannung des Muskels verringern soll. Ob diese Mittel und Verfahren die Heilung beschleunigen oder die Schmerzen lindern, lässt sich nicht sagen, weil es nicht genügend gute Studien dazu gibt.
Das gilt auch für eine Behandlung mit Strahlen, Laser, Ultraschall oder elektrischer Stimulation. Ob Spritzen mit Blutbestandteilen den Wiedereinstieg in den Sport beschleunigen, ist ebenfalls unklar. Bei dieser Behandlung sind noch viele Fragen offen, beispielsweise zu geeigneten Wirkstoffen und deren Dosierung. Spritzen in den Muskel mit Kortison werden nicht empfohlen.
Ein operativer Eingriff ist nur selten erforderlich. Gründe für eine Operation können ein sehr tiefer oder vollständiger Muskelriss oder ein drohendes Kompartmentsyndrom sein.
Bei einer Muskelverletzung beginnt man – je nach Schwere der Verletzung – am besten nach etwa 2 bis 5 Tagen mit mobilisierenden Übungen. Welche Übungen geeignet sind, kann man mit der Ärztin, dem Arzt oder einer physiotherapeutischen Fachkraft besprechen.
Die Belastung des Muskels wird schrittweise gesteigert. Neben Übungen für Kraft und Beweglichkeit eignen sich solche, die den Rumpf stabilisieren und das Körperbewusstsein erhöhen.
Bei einem Muskelfaserriss ist ein leichtes Bewegungstraining meist schnell wieder möglich. Bei einem Muskelbündelriss dauert es hingegen deutlich länger, häufig etwa vier Wochen.
Es ist wichtig, die Übungen – wie auch alle anderen Bewegungen – behutsam zu machen und den Muskel nicht zu überdehnen, damit er nicht erneut verletzt wird. Nimmt man in den ersten Tagen Schmerzmittel ein, ist Vorsicht bei Mobilisation und Training nötig, da die Medikamente das Warnsignal Schmerz unterdrücken.
Größere Belastungen und Sport sind wieder möglich, wenn sich der verletzte Muskel schmerzfrei genauso dehnen und bewegen lässt wie der gesunde.
In den ersten Wochen nach einem Muskelfaser- oder Muskelbündelriss ist das Risiko für eine weitere Muskelverletzung besonders hoch. Wer sich vor dem Training gut aufwärmt, neue Bewegungsmuster langsam einübt und bei Ermüden rechtzeitig pausiert, tut aber schon einiges, um sein Verletzungsrisiko zu verringern.
Die Hausarztpraxis ist meist die erste Anlaufstelle, wenn man krank ist oder bei einem Gesundheitsproblem ärztlichen Rat braucht. Bei Sportverletzungen kann man sich auch direkt an eine orthopädische oder sportmedizinische Praxis wenden. In unserem Thema „Gesundheitsversorgung in Deutschland“ informieren wir darüber, wie man die richtige Praxis findet – und mithilfe unserer Frageliste möchten wir dabei helfen, sich auf den Arztbesuch vorzubereiten.
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Erstellt am 31.05.2023
Nächste geplante Aktualisierung: 2026
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