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ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom)

Autoren/Herausgeber: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

Einleitung

ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom) ist eine chronische Erkrankung mit vielen möglichen Beschwerden. Dazu gehören unter anderem starke Erschöpfung, Schmerzen sowie Schlaf- und Konzentrationsstörungen. Typisch bei ME/CFS ist eine geringe Belastbarkeit. Symptome können sich schon nach leichten körperlichen oder geistigen Aktivitäten verschlimmern. Die Verschlechterung kann dann stunden-, wochen- oder monatelang anhalten. Dies wird Post-exertional Malaise (PEM) oder auch Belastungsintoleranz genannt. ME/CFS schränkt die Lebensqualität oft stark ein. Manche Menschen sind dauerhaft so stark eingeschränkt, dass sie die meiste Zeit im Bett verbringen und viel Hilfe benötigen.

Häufig beginnt die Erkrankung nach einem Infekt. Was die Erkrankung genau auslöst, ist bislang aber ungeklärt. Deshalb beschreibt der Name ME/CFS vor allem die Beschwerden: Der Fachbegriff „ME“ steht eher für Muskelschwäche und Schmerzen, „CFS“ für Erschöpfung.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, mit ME/CFS umzugehen. Dazu gehört unter anderem, Aktivitäten so anzupassen und über den Tag zu verteilen, dass eine PEM vermieden wird. Zudem können verschiedene Unterstützungsleistungen im Alltag helfen.

Auf einen Blick

  • Symptome von ME/CFS sind unter anderem Erschöpfung, Schmerzen, Kreislaufbeschwerden, Schlaf- und Konzentrationsstörungen.
  • Schon leichte Aktivitäten können Beschwerden verstärken – dies wird Post-exertional Malaise (PEM) genannt.
  • Die Ursachen der Erkrankung sind nicht geklärt.
  • Für die Diagnose sind sorgfältige Untersuchungen nötig.
  • Es gibt verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten.
  • Wichtig ist es, Aktivitäten an die eigene Belastbarkeit anzupassen.

Symptome

Die sogenannte Post-exertional Malaise (PEM) ist das leitende Merkmal einer ME/CFS. Das bedeutet: Nach körperlichen und geistigen Aktivitäten können Beschwerden zunehmen. Häufig reichen dafür leichte Aktivitäten aus. Je nach Schweregrad können das ein kurzer Spaziergang, Duschen oder ein Gespräch sein. Eine PEM tritt manchmal erst 1 bis 2 Tage nach der Anstrengung auf und kann Tage, Wochen oder auch länger andauern.

Zu den Beschwerden bei ME/CFS gehören:

  • Eine starke, vorher nicht gekannte Erschöpfung (Fatigue), die durch Ruhe und Erholung kaum besser wird. Zur Arbeit oder in die Schule zu gehen oder sich mit Freunden und Familie zu treffen, kostet viel Kraft oder ist nicht mehr möglich.
  • Ein gestörter oder nicht erholsamer Schlaf. Dazu gehören Einschlafprobleme, häufiges Aufwachen oder das Gefühl, morgens genauso erschöpft zu sein wie vor dem Zubettgehen.
  • Konzentrationsstörungen, stark verlangsamtes Denken und ein schlechtes Kurzzeitgedächtnis. Außerdem kann es zu Störungen der Wortfindung und Wahrnehmung kommen. Betroffene haben das Gefühl, ihr Gehirn sei wie vernebelt.
  • Kreislaufbeschwerden wie Schwindel, Übelkeit, erhöhter Puls oder Herzrasen. Diese treten vor allem im Sitzen oder Stehen auf und bessern sich im Liegen (orthostatische Intoleranz).
  • Schmerzen (betroffen sind etwa Kopf, Gelenke, Muskeln oder Lymphknoten).

Mögliche weitere Symptome sind zum Beispiel grippeähnliche Beschwerden, eine erhöhte Reizempfindlichkeit oder Verdauungsbeschwerden.

ME/CFS lässt sich je nach Art und Stärke der Beschwerden in unterschiedliche Schweregrade einteilen, von leicht bis sehr schwer.

Es ist möglich, dass Patientinnen und Patienten Phasen haben, in denen sie eine für sie wichtige Aktivität ohne eine erkennbare Einschränkung wahrnehmen können und man ihnen die Erkrankung nicht anmerkt. Solche Aktivitäten können dann aber einige Tage später eine PEM auslösen.

Ursachen

Warum es zu ME/CFS kommt, ist nicht geklärt. Fachleute vermuten, dass verschiedene Organsysteme wie das Immun- und das Nervensystem gleichzeitig fehlgesteuert sind.

Häufig beginnt die Erkrankung nach einer viralen Infektion, wie Pfeifferschem Drüsenfieber (Mononukleose), Grippe oder einer Covid-19-Erkrankung. Es wird vermutet, dass Fehlfunktionen des Immunsystems und der Blutgefäße sowie hormonelle und genetische Einflüsse eine Rolle spielen können. Auch körperliche Verletzungen (zum Beispiel infolge eines Unfalls) und Umweltschadstoffe werden als Auslöser diskutiert.

Häufigkeit und Verlauf

Schätzungen auf Basis von internationalen Studien zufolge sind etwa 2 bis 4 von 1000 Menschen in Deutschland an ME/CFS erkrankt. Da Untersuchungen hierzulande fehlen, ist die Zahl der Erkrankten nicht genau bekannt. Frauen sind häufiger von ME/CFS betroffen als Männer.

Meist beginnt die Erkrankung plötzlich, wie aus dem Nichts. Seltener entwickelt sie sich schleichend. Viele Menschen sind beim Auftreten erster Symptome ratlos, woher die Beschwerden kommen.

Die Krankheit kann sich sehr unterschiedlich entwickeln. Die Beschwerden können sich nach einigen Jahren bessern oder ganz legen, besonders bei Kindern und Jugendlichen. Bei Erwachsenen bleiben sie jedoch meist dauerhaft bestehen und können sich mit der Zeit auch verschlechtern.

Folgen

ME/CFS kann die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Je nach Schweregrad der Erkrankung ist der gewohnte Alltag nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr möglich:

  • Bei einer leichten Form gelingt es weitgehend, für sich selbst zu sorgen. Allerdings fallen viele Aktivitäten deutlich schwerer als früher.
  • Bei der moderaten Form fällt es schwer, die Wohnung zu verlassen. Aktivitäten werden sehr mühsam, zwischendurch sind lange Erholungspausen nötig. Zu arbeiten ist meist nicht mehr möglich.
  • Bei stärkerer Erkrankung werden einfache Alltagstätigkeiten wie Anziehen, Duschen oder Kochen zur starken Belastung. Viele Erkrankte können dann das Haus nicht mehr verlassen, manche verbringen Tage oder Wochen vorwiegend im Bett.
  • Eine sehr schwere ME/CFS führt zu Pflegebedürftigkeit. Es ist viel Unterstützung nötig.

Drei Viertel der Menschen mit ME/CFS haben eine leichte oder moderate Erkrankung. Etwa ein Viertel der Menschen mit ME/CFS kann das Haus kaum noch oder gar nicht mehr verlassen oder ist sogar bettlägerig.

Zudem erhöht die Belastung durch ME/CFS das Risiko für psychische Erkrankungen wie eine Depression oder Angststörung.

Diagnose

Es gibt keine Untersuchung, die eine ME/CFS direkt feststellen kann. Beschwerden wie eine anhaltende Erschöpfung oder Schmerzen können sehr unterschiedliche Ursachen haben und eine ME/CFS ist eher selten der Grund. Deshalb können verschiedene Untersuchungen bei Ärztinnen und Ärzten unterschiedlicher Fachrichtungen nötig sein, um andere Erkrankungen zu finden oder auszuschließen.

Zu den Standarduntersuchungen gehören:

  • Anamnese: Die Ärztin oder der Arzt fragt nach früheren und bestehenden Erkrankungen, der Stärke der Beschwerden sowie ihren Auslösern und Auswirkungen auf das alltägliche Leben. Dabei ist insbesondere wichtig, ob eine Post-exertional Malaise (PEM) vorliegt.
  • körperliche Untersuchung
  • Test auf Kreislaufbeschwerden beim Aufstehen (Schellong-Test)
  • Untersuchung des Blutes, eventuell auch des Urins

Auch die Messung der Handkraft kann sinnvoll sein. Manchmal kommen auch ein EKG, Röntgen oder eine Computertomografie infrage, um andere Erkrankungen zu erkennen oder auszuschließen.

Erste Anlaufstelle ist meist die Hausärztin oder der Hausarzt. Sind weiterführende Untersuchungen nötig, überweist sie oder er an Fachärztinnen und -ärzte, zum Beispiel für Neurologie, Innere Medizin oder Psychosomatik.

Bislang gibt es in Deutschland nur wenige Einrichtungen, die auf die Diagnose und Behandlung von Menschen mit ME/CFS spezialisiert sind.

Kinder und Jugendliche werden in der kinderärztlichen Praxis betreut.

Behandlung

ME/CFS kann bislang nicht geheilt werden. Es gibt auch keine Medikamente, mit denen die Krankheit behandelt werden kann. Es werden zwar einzelne Medikamente getestet, die Forschung ist jedoch nicht soweit, um beurteilen zu können, wie gut diese helfen. Bestimmte Beschwerden lassen sich aber gezielt behandeln, beispielsweise Schmerzen, Schlafstörungen oder Kreislaufprobleme.

Es wurden in Studien verschiedene Möglichkeiten untersucht, sich an die Einschränkungen so gut es geht anzupassen. Diese Studien lassen aber viele Fragen offen, sodass sich die Vor- und Nachteile der verschiedenen Ansätze nicht gut beurteilen lassen. Besonders bei Menschen mit schwerer ME/CFS sind sie kaum erforscht:

  • Das sogenannte Energiemanagement (Pacing; englisch für „Geschwindigkeit anpassen“) soll helfen, Belastungen so zu dosieren, dass sich die Beschwerden möglichst nicht verstärken. Aktivitäten werden bewusst angepasst und über den Tag verteilt, damit sich die Anstrengung in bestimmten Grenzen hält.
  • Je nach persönlicher Situation kann es möglich sein, Aktivitäten schrittweise und langsam zu steigern. Dabei ist es wichtig, die Belastungen so anzupassen, dass sich die Beschwerden nicht verschlechtern und eine PEM auslösen. Deshalb sollte eine Aktivierung unter ärztlicher und physiotherapeutischer Betreuung erfolgen. Zu den Grenzen von aktivierenden Programmen wie der Graded Exercise Therapy (GET) sind jedoch viele Fragen ungeklärt.
  • kognitive Verhaltenstherapie (KVT): Diese Therapie soll dabei helfen, mit den seelischen Belastungen durch die Erkrankung besser umzugehen. So sollen Strategien erlernt werden, die im Umgang mit den Beschwerden und mit Folgen wie depressiven Gedanken und Ängsten helfen. Dazu kann auch gehören, die Erkrankung besser einzuschätzen und zu lernen, Aktivitäten richtig zu dosieren.

Darüber hinaus gibt es weitere unterstützende Behandlungen, wie zum Beispiel Achtsamkeitstraining, Physiotherapie oder Ergotherapie. Zur Wirkung dieser Behandlungen bei ME/CFS gibt es bisher allerdings kaum Studien.

Möglicherweise hat ME/CFS bei verschiedenen Personen unterschiedliche Ursachen. Zudem sind Art und Schwere der Beschwerden sehr verschieden. Deshalb ist es normal, dass Patientinnen und Patienten unterschiedliche Erfahrungen machen, welche Behandlungen ihnen helfen und welche nicht.

Menschen, die vorwiegend im Bett liegen, benötigen meist pflegerische Unterstützung zur Körperhygiene und um beispielsweise Gelenksteife oder Druckgeschwüre zu vermeiden und Thrombosen vorzubeugen.

Rehabilitation

Grundsätzlich soll eine Rehabilitationsbehandlung dazu beitragen, den Umgang mit der jeweiligen Erkrankung zu lernen, Symptome zu lindern und die Erkrankung besser zu verstehen. Zudem soll sie dazu beitragen, die Erwerbsfähigkeit zu erhalten.

Auch wer an ME/CFS erkrankt, kann eine Rehabilitation in Anspruch nehmen. Wichtig ist, ein Reha-Angebot zu finden, das zu den eigenen Bedürfnissen passt und auf die Erkrankung ME/CFS zugeschnitten ist. Bisher gibt es keinen Überblick, wer in Deutschland solch eine Reha anbietet. Ungeeignete Reha-Maßnahmen können die Beschwerden noch verstärken.

Leben und Alltag

An ME/CFS Erkrankte haben oft eine jahrelange Krankheitsgeschichte hinter sich und bereits verschiedene Fehldiagnosen bekommen. Einige fühlen sich von Ärztinnen und Ärzten nicht verstanden. Sie haben den Eindruck, dass ihre Beschwerden nicht ernst genommen oder als rein psychisch eingestuft werden. Ein Teil der Betroffenen macht auch Erfahrungen mit Fehlbehandlungen.

ME/CFS bedeutet, dass Aktivitäten schwerer fallen oder unmöglich sein und zudem eine Verstärkung der Symptome (von vielen Betroffenen auch als „Crash“ bezeichnet) auslösen können. Wichtig ist es, die eigenen Belastungsgrenzen zu kennen und zu lernen, wie sich eine PEM vermeiden lässt. Zum Beispiel ist es wichtig, Ruhepausen einzuplanen. Trotz aller Belastungen kann es gelingen, mit der Zeit besser mit der Erkrankung zurechtzukommen.

Mögliche Hilfen im Alltag sind:

  • barrierefreie Gestaltung der Wohnung
  • Hilfsmittel wie (elektrische) Rollstühle oder Gehhilfen
  • Nutzung digitaler Kommunikationsmittel
  • ärztliche Hausbesuche oder Krankentransporte
  • pflegerische Unterstützung

Ob es möglich ist, berufstätig zu bleiben, hängt neben der Schwere der Erkrankung auch vom Beruf ab. Bei Büroberufen ist eher eine Anpassung der Tätigkeit oder der Arbeitsbedingungen möglich – zum Beispiel über Home-Office. Schülerinnen und Schüler können zu Hause unterrichtet werden.

Je nach Situation stehen weitere Versorgungsleistungen zur Verfügung:

  • Haushaltshilfen
  • Erwerbsminderungsrente
  • Unterstützung bei der Kinderbetreuung
  • Nachteilsausgleich während Schule, Ausbildung und Studium

Durch einen Antrag auf Schwerbehinderung kann sich der Anspruch auf verschiedene Unterstützungsleistungen ergeben.

Neben einer geeigneten medizinischen und sozialen Versorgung ist die Unterstützung durch Freundeskreis und Familie besonders wichtig. Es kann auch helfen, sich mit anderen Betroffenen zu vernetzen, zum Beispiel in einer Selbsthilfegruppe oder über soziale Netzwerke.

Weitere Informationen

Die Hausarztpraxis ist meist die erste Anlaufstelle, wenn man krank ist oder bei einem Gesundheitsproblem ärztlichen Rat braucht. In unserem Thema „Gesundheitsversorgung in Deutschland“ informieren wir darüber, wie man die richtige Praxis findet – und mithilfe unserer Frageliste möchten wir dabei helfen, sich auf den Arztbesuch vorzubereiten.

Quellen

Barcroft R. Chronic Fatigue Syndrome/ Myalgic Encephalomyelitis and Fibromyalgia: a Social Model of Disability Perspective. Dissertation Abstracts International: Section B: The Sciences and Engineering 2021; 82(8-B): No Pagination Specified.

Cullinan J, Ní Chomhraí O, Kindlon T et al. Understanding the economic impact of myalgic encephalomyelitis/chronic fatigue syndrome in Ireland: a qualitative study. HRB open res 2020; 3: 88.

Froehlich L, Hattesohl DB, Jason LA et al. Medical Care Situation of People with Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome in Germany. Medicina (Kaunas) 2021; 57(7): 646.

Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Myalgische Enzephalomyelitis / Chronic Fatigue Syndrome (ME/CFS): Aktueller Kenntnisstand. Abschlussbericht. Auftrag N21-01. 2023.

Nacul L, Authier FJ, Scheibenbogen C et al. European Network on Myalgic Encephalomyelitis/Chronic Fatigue Syndrome (EUROMENE): Expert Consensus on the Diagnosis, Service Provision, and Care of People with ME/CFS in Europe. Medicina (Kaunas) 2021; 57(5): 510.

National Institute for Health Care and Excellence (NICE). Myalgic encephalomyelitis (or encephalopathy)/chronic fatigue syndrome: diagnosis and management. (NICE guidelines; No. NG206). 2021.

IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen.

Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Gesundheitsinformation.de kann das Gespräch mit Fachleuten unterstützen, aber nicht ersetzen. Wir bieten keine individuelle Beratung.

Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir ausführlich in unseren Methoden.

Erstellt am 15.05.2023

Nächste geplante Aktualisierung: 2026

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