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Gutartiger Lagerungsschwindel

Autoren/Herausgeber: Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)

Einleitung

Als Schwindel (Vertigo) wird das Gefühl bezeichnet, dass sich um einen herum alles dreht oder schwankt. Das kann im Stehen, beim Gehen oder im Liegen passieren. Je nach Ursache kann ein Schwindelanfall unterschiedlich lange dauern und mit Benommenheit, Übelkeit oder anderen Beschwerden verbunden sein.

Ist eine Störung des Gleichgewichtsorgans die Ursache, handelt es sich meist um den gutartigen Lagerungsschwindel. Dabei lösen bestimmte Bewegungen für kurze Zeit Schwindel aus. Der gutartige Lagerungsschwindel ist unangenehm, aber harmlos. Er lässt sich einfach feststellen und behandeln.

Auf einen Blick

  • Bei einem gutartigen Lagerungsschwindel hat man das Gefühl, dass alles sich dreht oder schwankt – meist nach einer raschen Kopfbewegung.
  • Die kurzen Schwindelanfälle sind harmlos.
  • Auslöser sind winzige Steinchen im Gleichgewichtsorgan des Innenohrs.
  • Nach wenigen Wochen verschwinden die Anfälle oft von selbst wieder.
  • Wenn nicht, können Lagerungsmanöver helfen – das sind Abfolgen bestimmter Kopfbewegungen und Körperhaltungen.

Symptome

Bei einem gutartigen Lagerungsschwindel entsteht der Eindruck, dass sich alles dreht („Karussellgefühl“). In der Regel wird einem bei raschen Bewegungen des Kopfes schwindelig – zum Beispiel, wenn man

  • den Kopf dreht, neigt oder in den Nacken legt,
  • sich hinlegt,
  • sich im Liegen umdreht,
  • aus dem Liegen heraus aufsetzt oder
  • sich bückt.

Typischerweise hält das Schwindelgefühl nur kurz an – für einige Sekunden bis höchstens fünf Minuten.

Zusätzlich kann es während und nach dem Schwindelanfall zu Übelkeit kommen, selten auch zu Erbrechen.

Ursachen

Ein gutartiger Lagerungsschwindel wird wahrscheinlich durch lose Ablagerungen in den sogenannten Bogengängen des Innenohrs verursacht. Dieses mit Flüssigkeit gefüllte Gangsystem ist ein Teil des Gleichgewichtsorgans. Die Sinneszellen in den drei Bogengängen erspüren, ob und in welche Richtung sich der Kopf dreht.

Grafik: Aufbau des Ohrs und Gleichgewichtsorgans - wie im Text beschrieben

Aufbau des Ohrs und Gleichgewichtsorgans

Meist haben sich die Ablagerungen im hinteren Bogengang als winzige Steinchen angesammelt – warum, bleibt häufig unklar. Bewegt sich der Kopf, „rieseln“ die Steinchen durch den Bogengang, was die Sinneszellen irritiert. Sie geben eine Fehlinformation weiter, die nicht zu den anderen Sinneswahrnehmungen – zum Beispiel der Augen – passt. Die widersprüchlichen Informationen lösen ein Schwindelgefühl aus.

Grafik: Aufbau des Gleichgewichtsorgans

Aufbau des Gleichgewichtsorgans

Seltener tritt ein Lagerungsschwindel infolge von Schädelverletzungen, Ohrentzündungen, Durchblutungsstörungen oder Bettlägerigkeit auf.

Häufigkeit und Verlauf

Etwa 2 von 100 Menschen bekommen irgendwann in ihrem Leben einen gutartigen Lagerungsschwindel. Bei Frauen tritt er ungefähr doppelt so oft auf wie bei Männern. Am häufigsten haben Menschen zwischen 40 und 70 Jahren damit zu tun.

Bei einem gutartigen Lagerungsschwindel kann es immer wieder zu kurzen Schwindelanfällen kommen. Mit der Zeit können sich die Steinchen aber im Bogengang festsetzen und vom Körper abgebaut werden. Deshalb verschwindet ein gutartiger Lagerungsschwindel häufig von allein: Ungefähr die Hälfte der Betroffenen ist innerhalb von drei Monaten wieder beschwerdefrei.

Diagnose

In der Regel ist ein gutartiger Lagerungsschwindel anhand der Beschwerden und der Vorgeschichte leicht zu erkennen und gut von anderen Schwindelformen zu unterscheiden. Die Ärztin oder der Arzt fragt deshalb zum Beispiel, ob der Schwindel dauerhaft, anfallsweise oder bei bestimmten Auslösern auftritt.

Mithilfe des sogenannten Hallpike-Tests lässt sich der Verdacht bestätigen: Dabei werden Kopf und Rumpf mit ärztlicher Unterstützung rasch in einer fest vorgegebenen Abfolge bewegt. Wird dadurch ein Schwindelanfall ausgelöst, handelt es sich um einen gutartigen Lagerungsschwindel.

Die Ärztin oder der Arzt beobachtet bei dieser Untersuchung auch die Augen, denn es kommt während des Schwindelanfalls zu typischen, ruckartigen Augenbewegungen (Nystagmus). Es kann sein, dass man während des Tests eine besondere Brille (Frenzelbrille) tragen muss. Die ausgelösten Augenbewegungen sind dann besser zu erkennen.

Behandlung

Weil ein gutartiger Lagerungsschwindel von selbst wieder verschwinden kann, reicht es oft, einfach abzuwarten. Es gibt aber auch Möglichkeiten, den Schwindel zu behandeln. Gängig sind sogenannte Lagerungsmanöver. Dabei soll eine bestimmte Abfolge von Bewegungen des Kopfes und des Körpers die losen Steinchen so bewegen, dass sie sich festsetzen und keine Attacken mehr auslösen.

Bei den Lagerungsmanövern hilft die Ärztin oder der Arzt. Es gibt aber auch Varianten, die man zu Hause allein machen kann.

Andere Behandlungen wie Medikamente gegen Übelkeit sind nur selten nötig. Bei schwerem Schwindel können für kurze Zeit Mittel eingenommen werden, die ihn unterdrücken (Antivertiginosa).

Leben und Alltag

Schwindelattacken können Angst machen – vor allem dann, wenn noch nicht klar ist, dass es sich um einen harmlosen Lagerungsschwindel handelt.

Die Unsicherheit während einer Schwindelattacke erhöht die Gefahr zu stürzen, besonders bei älteren Menschen. Manche bewegen sich aus Furcht vor Schwindelattacken nur wenig und sind deshalb im Alltag eingeschränkt.

Weitere Informationen

Die Hausarztpraxis ist meist die erste Anlaufstelle, wenn man krank ist oder bei einem Gesundheitsproblem ärztlichen Rat braucht. In unserem Thema „Gesundheitsversorgung in Deutschland“ informieren wir darüber, wie man die richtige Praxis findet – und mit unserer Frageliste möchten wir dabei helfen, sich auf den Arztbesuch vorzubereiten.

Quellen

Bhattacharyya N, Gubbels SP, Schwartz SR et al. Clinical Practice Guideline: Benign Paroxysmal Positional Vertigo (Update). Otolaryngol Head Neck Surg 2017; 156(3_suppl): S1-S47.

Cromwell C, Tyler J, Nobbs R et al. The Necessity for Post-Maneuver Restrictions in the Treatment of Benign Paroxysmal Positional Vertigo: An Updated Meta-Analysis of the Literature. Otol Neurotol 2018; 39(6): 671-679.

Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM). Akuter Schwindel in der Hausarztpraxis (S3-Leitlinie, in Überarbeitung). AWMF-Registernr.: 053-018. 2019.

Fu W, Han J, Chang N et al. Immediate efficacy of Gufoni maneuver for horizontal canal benign paroxysmal positional vertigo (HC-BPPV): a meta-analysis. Auris Nasus Larynx 2020; 47(1): 48-54.

Hilton MP, Pinder DK. The Epley (canalith repositioning) manoeuvre for benign paroxysmal positional vertigo. Cochrane Database Syst Rev 2014; (12): CD003162.

Mattle H, Mumenthaler M. Neurologie. Stuttgart: Thieme; 2013.

McDonnell MN, Hillier SL. Vestibular rehabilitation for unilateral peripheral vestibular dysfunction. Cochrane Database Syst Rev 2015; (1): CD005397.

Von Brevern M, Radtke A, Lezius F et al. Epidemiology of benign paroxysmal positional vertigo: a population based study. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2007; 78(7): 710-715.

Zhang X, Qian X, Lu L et al. Effects of Semont maneuver on benign paroxysmal positional vertigo: a meta-analysis. Acta Otolaryngol 2017; 137(1): 63-70.

IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen.

Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Gesundheitsinformation.de kann das Gespräch mit Fachleuten unterstützen, aber nicht ersetzen. Wir bieten keine individuelle Beratung.

Unsere Informationen beruhen auf den Ergebnissen hochwertiger Studien. Sie sind von einem Team aus Medizin, Wissenschaft und Redaktion erstellt und von Expertinnen und Experten außerhalb des IQWiG begutachtet. Wie wir unsere Texte erarbeiten und aktuell halten, beschreiben wir ausführlich in unseren Methoden.

Aktualisiert am 04.10.2023

Nächste geplante Aktualisierung: 2026

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