Wer krank wird, hat es in Deutschland normalerweise nicht schwer, medizinische Hilfe zu finden. Es gibt ein dichtes Netz von leicht zugänglichen Behandlungsangeboten. Die Kosten für Behandlungen und Untersuchungen trägt größtenteils die Krankenversicherung.
Sich im deutschen Gesundheitssystem zurechtzufinden, ist trotzdem nicht immer einfach. Mit dem Thema „Gesundheitsversorgung in Deutschland“ geben wir deshalb einen Überblick und eine praktische Orientierungshilfe. Wir richten uns dabei vor allem an Menschen aus anderen Ländern, die in Deutschland leben und arbeiten – ob dauerhaft oder vorübergehend. Denn für den Fall einer Erkrankung abgesichert zu sein und zu wissen, an welche Einrichtung, Arztpraxis oder Klinik man sich wenden kann, ist die Voraussetzung für eine rasche und sichere Behandlung.
Je nach Art und Schwere einer Erkrankung gibt es in Deutschland drei Versorgungsbereiche. Wer akut erkrankt ist, sucht normalerweise zuerst eine ärztliche Praxis auf – in der Regel eine Hausärztin oder einen Hausarzt, seltener direkt eine fachärztliche Praxis. Manchmal ist aber auch eine Behandlung in einem Krankenhaus nötig. Bei langwierigen Erkrankungen kann eine ambulante und stationäre Rehabilitation sinnvoll sein.
Das deutsche Gesundheitssystem wird von sehr vielen Einrichtungen getragen. Der Staat gibt gesetzliche Rahmenbedingungen vor. Darüber hinaus verwalten zahlreiche Akteure die Gesundheitsversorgung selbst – etwa Verbände und Interessenvertretungen der Krankenversicherungen, der verschiedenen Anbieter und Berufsgruppen im Gesundheitswesen sowie Patientenorganisationen.
Die Krankenversicherung ist gesetzlich geregelt. Sie gehört zu den fünf Zweigen der Sozialversicherung – gemeinsam mit der Unfallversicherung, der Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung und der Pflegeversicherung. Gesetzliche Vorgaben dazu finden sich in den Sozialgesetzbüchern.
In Deutschland besteht eine Krankenversicherungspflicht. Das heißt, alle Bürgerinnen und Bürger sind verpflichtet, sich in einer Krankenkasse zu versichern. Dies soll dafür sorgen, dass niemand wegen einer Erkrankung in finanzielle Not gerät. Wer krankenversichert ist, zahlt normalerweise keine oder nur einen zumutbaren Teil der Behandlungskosten selbst und ist finanziell abgesichert, wenn er oder sie nicht arbeiten kann.
Bis zu einem bestimmten Bruttogehalt müssen sich Arbeitnehmer bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichern. Wer mehr verdient, kann sich stattdessen privat versichern. Auch bestimmte Berufsgruppen, etwa Beamte, können sich privat versichern.
Menschen aus dem Ausland, die in Deutschland arbeiten, müssen sich in der Regel ebenfalls hier versichern – selbst, wenn sie in einem anderen Land wohnen. Auch wer in Deutschland studieren möchte, muss eine Krankenversicherung nachweisen. Je nach Herkunftsland wird die heimische Krankenversicherung anerkannt – beispielsweise, wenn man in einem anderen EU-Staat versichert ist. Wenn nicht, muss man einer deutschen Krankenversicherung beitreten oder eine spezielle Reisekrankenversicherung abschließen.
Die Gesundheitsversorgung wird überwiegend durch Beiträge der Versicherten und der Arbeitgeber finanziert. Die Höhe der Beiträge richtet sich allein nach dem Einkommen eines Versicherten. Dabei hat jeder gesetzlich Versicherte Anspruch auf die gleiche medizinische Versorgung – egal, wie hoch seine Beiträge sind.
Mit „ambulanter Behandlung“ ist gemeint, dass man nach der Behandlung wieder nach Hause geht und nicht über Nacht oder länger in einer Klinik bleibt. Der Großteil der ambulanten Behandlungen in Deutschland findet in ärztlichen Praxen sowie in Praxen für Psychotherapie oder nicht ärztliche Heilkunde statt.
Versicherte können selbst entscheiden, an welche Arzt-, Zahnarzt- oder Psychotherapiepraxis sie sich wenden – denn in Deutschland besteht das Prinzip der „freien Arztwahl“. Die meisten Arzt- und Zahnarztpraxen haben eine sogenannte Kassenzulassung, die oft am Praxisschild zu erkennen ist („Alle Kassen“). Diese Vertragspraxen sind grundsätzlich verpflichtet, jede versicherte Person zu behandeln. Privatpraxen hingegen sind nur im Notfall verpflichtet, gesetzlich Versicherte zu versorgen. Sie behandeln nur privat Versicherte und gesetzlich Versicherte, die ihre Behandlung selbst bezahlen.
Die meisten Menschen gehen bei einer Erkrankung oder einem Gesundheitsproblem zunächst in ihre Haus- oder Kinderarztpraxis. Dort wird entschieden, ob es nötig ist, eine Spezialistin oder einen Spezialisten in die Behandlung einzubeziehen.
Das geschieht durch eine Überweisung an eine Facharztpraxis, wie zum Beispiel für Frauenheilkunde (Gynäkologie) oder Hauterkrankungen (Dermatologie). Man kann in der Regel aber auch direkt zu einer Fachärztin, einem Facharzt oder in die Psychotherapiepraxis gehen.
Außerdem gibt es nicht ärztliche Heilberufe: Dazu gehören zum Beispiel Physiotherapeuten, Logopädinnen, Pflegekräfte und Hebammen. Für eine physiotherapeutische oder logopädische Behandlung sowie für häusliche Pflege braucht man ein ärztliches Rezept (Verordnung).
Die Behandlung in einer Vertragspraxis wird direkt über die Krankenkasse abgerechnet – dafür ist die elektronische Gesundheitskarte nötig, die man von der eigenen Krankenkasse erhalten hat. Für bestimmte Leistungen wie hochwertigen Zahnersatz zahlt die gesetzliche Krankenkasse feste Zuschüsse. Die darüber hinausgehenden Kosten müssen selbst gezahlt werden. Die Höhe dieses Eigenanteils hängt vom gewählten Zahnersatz ab. Auch für sogenannte Heilmittel – zum Beispiel eine ambulante logopädische oder physiotherapeutische Behandlung – müssen Erwachsene in der Regel eine Zuzahlung leisten.
Privat versicherte Patientinnen und Patienten zahlen die Behandlungskosten in der Regel zunächst selbst und bekommen die Kosten später von ihrer Versicherung erstattet, nachdem sie die Rechnung bei ihrer Krankenversicherung eingereicht haben. Die Höhe der Erstattung hängt vom einzelnen Vertrag ab.
Ärztinnen und Ärzte sammeln alle wichtigen Unterlagen wie Untersuchungsergebnisse und Arztbriefe in einer Patientenakte. Diese darf man in der Regel jederzeit einsehen und erhält auf Wunsch Kopien oder Ausdrucke der Dokumente. Diese müssen einmalig kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Bei weiteren Anfragen kann eine geringe Gebühr erhoben werden. Inzwischen können Versicherte auch eine elektronische Patientenakte nutzen. Darin sollen nach und nach alle wichtigen Dokumente aus verschiedenen Praxen oder Kliniken gesammelt digital gespeichert werden.
Die meisten Krankenhäuser in Deutschland behandeln gesetzlich und privat Versicherte. Ob eine Krankenhausbehandlung nötig ist, entscheidet die Haus- oder Facharztpraxis und stellt eine Einweisung aus – es sei denn, es handelt sich um einen Notfall. Dann kann man direkt die Notaufnahme eines Krankenhauses aufsuchen oder den Rettungsdienst rufen. Wenn „ambulant“ behandelt werden kann, ist es möglich, am gleichen Tag wieder nach Hause zu gehen. Ist ein längerer Klinikaufenthalt mit Übernachtung nötig, spricht man von „stationärer Behandlung“. Dabei müssen auch gesetzlich Versicherte eine Zuzahlung von 10 Euro pro Tag für Unterbringung und Verpflegung leisten.
In Rehabilitationseinrichtungen werden mehrere Tage bis Wochen dauernde Behandlungen angeboten. Sie sollen helfen, nach einer schweren Erkrankung oder nach einer Operation wieder selbstständig und leistungsfähig zu werden. Das Ziel ist zum Beispiel, dass man wieder arbeiten oder ein möglichst eigenständiges Leben führen kann – oder dass eine chronische Erkrankung sich nicht weiter verschlimmert. Je nach Situation bleibt man für diese Zeit in einer Klinik (stationäre Rehabilitation) oder geht täglich nur zur Behandlung in die Klinik (ambulante Rehabilitation).
Rehabilitationseinrichtungen gibt es auch für psychische Krankheiten und Suchterkrankungen.
Medikamente erhält man in einer Apotheke. Hier kann man sich auch über Arzneimittel informieren und beraten lassen. Ist eine Apotheke geschlossen, informiert ein Aushang an der Eingangstür, welche Apotheke in der Nähe Notdienst hat – das heißt, auch nachts und an Wochenenden geöffnet ist. Außerdem kann man online nach der nächsten Notdienst-Apotheke suchen. Daneben gibt es Online-Apotheken (Versand-Apotheken), die Medikamente zusenden. Eine Beratung – dann per Telefon oder E-Mail – ist dort allerdings nicht immer sofort möglich.
In der Apotheke gibt es unterschiedliche Mittel:
Privat Versicherte müssen ihre Medikamente zunächst in voller Höhe selbst bezahlen, bekommen die Kosten aber später von ihrer Versicherung erstattet – je nach Versicherung auch für nicht verschreibungspflichtige Medikamente.
Im Notfall kann man direkt die Notaufnahme eines Krankenhauses aufsuchen oder den Rettungsdienst rufen. Es gibt verschiedene Telefonnummern für medizinische Notfälle, die jederzeit kostenlos erreichbar sind:
Zudem gibt es Hilfe- und Krisentelefone für psychische Notlagen:
Dort können auch Angehörige anrufen, wenn sie unsicher sind, wie sie der betroffenen Person helfen können.
Bei akuter Suizidgefahr stehen neben dem Notruf 112 auch psychiatrisch-psychotherapeutische Praxen mit Notfalldienst oder die Notfallambulanzen der psychiatrisch-psychotherapeutischen Krankenhäuser zur Verfügung.
In Deutschland gibt es ein breites Angebot zur persönlichen Beratung und Unterstützung im Krankheitsfall: Dazu zählen zum Beispiel Selbsthilfegruppen, die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD), psychosoziale Beratungsstellen und Beratungsangebote der Krankenkassen und Gesundheitsämter.
Informationsmaterial und Broschüren zu verschiedenen Gesundheitsthemen bietet das Bundesministerium für Gesundheit speziell für Migrantinnen und Migranten auf der Website „Migration und Gesundheit“ in vielen Sprachen.
Beratung und Austausch mit anderen Erkrankten sind oft auch sehr wertvoll, wenn es darum geht, sich für eine von mehreren Behandlungsmöglichkeiten zu entscheiden. Dies ist nicht immer einfach. Um die richtige und persönlich passende Wahl zu treffen, sind fundierte Informationen wichtig.
Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Migration und Gesundheit. 2024.
Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Schaubild „Unser Gesundheitssystem" – der Staat setzt den Rahmen. 2023.
Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Dossier Gesundheitspolitik. Das Gesundheitswesen in Deutschland – ein Überblick. 2017.
Busse R, Blümel M, Spranger A. Das deutsche Gesundheitssystem: Akteure, Daten, Analysen. Berlin: Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft; 2017.
Klemperer D. Sozialmedizin – Public Health – Gesundheitswissenschaften. Göttingen: Hogrefe; 2020.
Statistisches Bundesamt (Destatis). Grunddaten der Krankenhäuser 2022. 2023.
IQWiG-Gesundheitsinformationen sollen helfen, Vor- und Nachteile wichtiger Behandlungsmöglichkeiten und Angebote der Gesundheitsversorgung zu verstehen.
Ob eine der von uns beschriebenen Möglichkeiten im Einzelfall tatsächlich sinnvoll ist, kann im Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt geklärt werden. Gesundheitsinformation.de kann das Gespräch mit Fachleuten unterstützen, aber nicht ersetzen. Wir bieten keine individuelle Beratung.
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Aktualisiert am 18.12.2024
Nächste geplante Aktualisierung: 2027
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)