Viele Menschen haben hin und wieder Rückenschmerzen. Meist lässt sich die Ursache nicht genau bestimmen. Manchmal steckt ein Facettensyndrom (Facettenarthrose) dahinter.
Die Facettengelenke (Wirbelgelenke) verbinden die Wirbel der Wirbelsäule miteinander. Bei einem Facettensyndrom sind die Nerven im Gelenk aufgrund altersbedingter Veränderungen an der Wirbelsäule gereizt. Das kann zu Schmerzen führen – meist im Bereich der Lendenwirbelsäule, manchmal auch in Gesäß, Hüfte, Leisten oder Oberschenkeln.
Zur Linderung der Schmerzen wird vor allem Bewegung empfohlen – insbesondere gezielte Physiotherapie zur Stärkung und Stabilisierung der Rumpfmuskulatur. Auch Bewegungsformen wie Yoga oder Pilates sind möglich.
Es gibt keine Beschwerden, die eindeutig auf ein Facettensyndrom schließen lassen. Möglich sind ein- oder beidseitige Rückenschmerzen im Bereich des betroffenen Gelenks. Manchmal tut der Rücken besonders morgens beim Aufstehen oder nach längerem Liegen oder Sitzen weh. Er kann sich auch steif anfühlen. Beim Zurückbeugen oder beim Drehen der Wirbelsäule können die Schmerzen zunehmen. Sie sind in der Regel mal mehr, mal weniger stark ausgeprägt.
Zu Gefühlsstörungen oder Taubheitsgefühlen kommt es meist nicht, da bei einem Facettensyndrom keine Spinalnerven eingeklemmt sind. Dies unterscheidet Facettenschmerzen von den Beschwerden bei einem Bandscheibenvorfall oder einer Spinalkanalstenose. Facettenschmerzen können zwar auch in der Hüfte, dem Gesäß oder den Oberschenkeln auftreten, sie strahlen aber nicht weiter in die Beine aus.
Bereiche, in denen Facettenschmerzen auftreten können
Rückenschmerzen können viele Ursachen haben und von unterschiedlichen Rückenstrukturen ausgehen. Dazu gehören neben den Facettengelenken zum Beispiel Muskeln, Faszien, Bänder und Bandscheiben. Das macht es schwer, eine genaue Ursache zu bestimmen.
Bei einem Facettensyndrom geht man davon aus, dass die Facettengelenke hinter den Schmerzen stecken. Die Knochenenden der Facettengelenke sind, wie auch bei allen anderen Gelenken, mit widerstandsfähigem Knorpel überzogen. Die Knorpelschicht bildet eine glatte Oberfläche, sodass die Knochen bei Bewegung möglichst wenig aufeinander reiben. Knorpel wird durch wechselnden Druck mit Nährstoffen versorgt: Ähnlich wie ein Schwamm gibt er bei Belastung Abfallprodukte ab und nimmt bei Entlastung neue Nährstoffe aus der Gelenkflüssigkeit auf – weshalb Bewegung für den Knorpel wichtig ist.
Wirbelsäule im unteren Rücken (Lendenwirbelsäule)
Bei einer Arthrose wird die Knorpelschicht dünner und rauer. Sie schützt das Gelenk dann nicht mehr so gut, wodurch sich mit der Zeit die Gelenkinnenhaut entzünden kann. Das Gelenk schwillt dann an und überdehnt die Gelenkkapsel. Außerdem können die Ränder des Facettengelenks verknöchern. All das kann die Nerven im Bereich des Facettengelenks reizen und so Schmerzen auslösen.
Facettengelenk in der Lendenwirbelsäule, links: ohne Arthrose, rechts: mit Arthrose
Der größte Risikofaktor für eine Facettenarthrose ist das Alter. Denn mit zunehmendem Alter verändern sich die Bandscheiben zwischen den Rückenwirbeln: Sie verlieren Flüssigkeit, werden weniger elastisch und dünner. Dadurch können die Flächen der Facettengelenke aneinander reiben, was den Gelenkknorpel schädigt.
Starkes Übergewicht, ein Wirbelgleiten oder Haltungsprobleme aufgrund einer schwach ausgeprägten Rückenmuskulatur könnten ebenfalls eine Rolle spielen – dazu gibt es aber wenig Forschung.
Intensiv Sport zu treiben, kann die Facettengelenke ebenfalls überlasten – etwa bei Sportarten wie Tennis, bei denen der Oberkörper oft gedreht und überstreckt wird. Auch Verletzungen beim Sport, durch Unfälle oder Stürze sind eine mögliche Ursache.
Man weiß nicht genau, bei wie vielen Menschen Rückenbeschwerden von einem Facettengelenk ausgehen – auch weil es schwierig ist, eine sichere Diagnose zu stellen. Schätzungen zufolge sind die Facettengelenke bei etwa 10 bis 15 % der Menschen mit chronischen Rückenschmerzen die Hauptursache der Beschwerden.
Die meisten Menschen entwickeln im Laufe ihres Lebens eine Facettenarthrose, die auf Röntgenbildern, in der Magnetresonanz-Tomografie (MRT) oder Computer-Tomografie (CT) sichtbar ist. In einer amerikanischen Studie sah man zum Beispiel bei 84 % der Menschen über 60 Jahren im CT eine Facettenarthrose. Es zeigte sich jedoch kein Zusammenhang zwischen Facettenarthrose und Rückenschmerzen: Unter Personen ohne Arthrose waren Rückenschmerzen genauso verbreitet wie unter den Personen mit Arthrose.
Rückenschmerzen verlaufen ganz unterschiedlich – sie können kommen und gehen, aber auch für längere Zeit Probleme bereiten.
Ist die Facettenarthrose fortgeschritten, können sich an den Knochen des Wirbelgelenks Auswüchse bilden. Mit ihnen versucht der Körper, den zunehmenden Druck besser zu verteilen. Diese sogenannten Osteophyten ragen manchmal in den Wirbelkanal hinein und verengen ihn. Das kann zu einer sogenannten Spinalkanalstenose führen.
Wenn man mit Rückenschmerzen zur Ärztin oder zum Arzt geht, ist das erste Ziel, ernsthafte Ursachen für die Beschwerden auszuschließen. Dazu ist es wichtig, die Beschwerden genau zu beschreiben und die Ärztin oder den Arzt darüber zu informieren, welche anderen Erkrankungen man hat, welche Medikamente man nimmt und ob man in letzter Zeit operiert wurde oder einen Unfall hatte. Dies ist wichtig, damit Notfälle wie eine Infektion oder ein Tumor nicht übersehen werden. Solche Notfälle sind aber sehr selten und lassen sich durch ein ärztliches Gespräch und eine körperliche Untersuchung meist ausschließen. Wenn es Hinweise auf eine ernsthafte Ursache gibt, können weitere Untersuchungen wie eine Magnetresonanz-Tomografie (MRT) nötig sein.
Bei den meisten Menschen mit Rückenschmerzen lässt sich keine einzelne Ursache für die Beschwerden feststellen. Spezielle Tests können aber Anhaltspunkte liefern, dass die Schmerzen von den Facettengelenken ausgehen. Dazu gehören zum Beispiel Untersuchungen, bei denen
Solche Tests werden eingesetzt, um zu entscheiden, ob weitere Untersuchungen sinnvoll sind.
Die zuverlässigste Methode zur Diagnose einer Facettenarthrose ist ein sogenannter diagnostischer Block, auch Facettenblockade genannt. Dabei wird ein Mittel zur örtlichen Betäubung möglichst nah an die mutmaßlich schmerzauslösenden Nerven gespritzt, um sie vorübergehend zu betäuben. Lassen die Schmerzen dann für einige Stunden deutlich nach, nimmt man an, dass das „blockierte“ Facettengelenk den Schmerz auslöst.
Eine Arthrose der Facettengelenke kann mit Röntgenbildern, einem CT oder einem MRT sichtbar gemacht werden. Daraus lässt sich aber nicht auf die Ursache der Schmerzen schließen – denn eine auf Bildern sichtbare Facettenarthrose ist bei Menschen ohne Rückenschmerzen genauso häufig wie bei Menschen mit Rückenschmerzen.
Möglicherweise fragt die Ärztin oder der Arzt auch nach besonderen körperlichen und psychischen Belastungen, etwa im Beruf, sowie nach dem Umgang mit den Schmerzen und nach dem persönlichen Umfeld. Denn solche Faktoren können eng mit Rückenschmerzen zusammenhängen.
Um Rückenschmerzen zu lindern, wird vor allem Bewegung empfohlen. Dazu gehören insbesondere gezielte Physiotherapie zur Stärkung und Stabilisierung der Rumpfmuskulatur, aber auch Bewegungsformen wie Pilates oder Yoga. Wichtig ist, dass sich die Bewegungstherapie für die persönliche Situation eignet und man sich regelmäßig und längerfristig dazu motivieren kann.
Ergänzend kommen Wärmeanwendungen, Massagen und entzündungshemmende Schmerzmittel infrage, um die Beschwerden vorübergehend zu lindern. Unter dem Thema Rückenschmerzen gibt es weitere Informationen zu Behandlungsmöglichkeiten.
Die meisten empfohlenen Behandlungen bei Rückenschmerzen richten sich nach den konkreten Beschwerden, nicht nach einer genauen Diagnose.
Wenn der Verdacht besteht, dass die Schmerzen von den Facettengelenken ausgehen, wird manchmal eine Verödung von Nervenfasern vorgeschlagen (Facettendenervation). Sie kommt aber nur infrage, wenn die Beschwerden länger anhalten und andere Behandlungen keine ausreichende Linderung gebracht haben. Bei einer Facettendenervation werden schmerzleitende Nerven in der Nähe der Facettengelenke verödet. Dies soll verhindern, dass der Schmerz ans Gehirn weitergeleitet wird. In Studien deutet sich aber nur eine kurzfristige Wirkung an – und Personen, die eine Physiotherapie machten, half eine zusätzliche Verödung nicht.
Wer über längere Zeit Rückenschmerzen hat, die den Alltag sehr beeinträchtigen, denkt vielleicht über eine Facettendenervation nach. Dann lohnt es sich, die Vor- und Nachteile eines solchen Eingriffs abzuwägen. Eine Entscheidungshilfe zur Facettendenervation kann dabei helfen. Ärztinnen und Ärzte, die eine Facettendenervation empfehlen, müssen außerdem auf das Recht auf eine kostenlose zweite ärztliche Meinung hinweisen.
Die Hausarztpraxis ist meist die erste Anlaufstelle, wenn man krank ist oder bei einem Gesundheitsproblem ärztlichen Rat braucht. Informationen zur Gesundheitsversorgung in Deutschland helfen dabei, sich im Gesundheitssystem zurechtzufinden und eine passende Arztpraxis zu finden. Mit einer Frageliste kann man sich auf den Arztbesuch vorbereiten.
Für Menschen mit chronischen Rückenschmerzen gibt es in Deutschland zahlreiche Angebote zur Unterstützung. Dazu gehören Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen. Eine Liste von Anlaufstellen hilft dabei, passende Angebote zu finden.
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Erstellt am 03.07.2024
Nächste geplante Aktualisierung: 2027
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