Wer seinen Schlaf-wach-Rhythmus nicht beeinflussen kann, hat einen hohen Leidensdruck. Dahinter kann eine neurologische Erkrankung stecken.
Viele Menschen kennen das Gefühl, unglaublich müde zu sein. Mehr als das normale Maß. Immer wieder muss man in solchen Momenten gähnen, die Augen drohen zuzufallen, kein Trick kann mehr helfen. Meist ist dieses temporäre Gefühl an aktuelle Zusammenhänge geknüpft, zum Beispiel zu wenig Schlaf in der vergangenen Nacht. Aber was, wenn das Gefühl ein Dauerzustand ist, zum Alltag gehört und sogar mit plötzlichem, unkontrollierbarem Einschlafen verknüpft ist? Dann könnte es sich um die Schlafkrankheit, die sogenannte Narkolepsie, handeln.
Was ist Narkolepsie?
Der Begriff Narkolepsie wurde 1862 durch eine erste Fallbeschreibung ins Leben gerufen und orientiert sich am Begriff Narkose, also der bewusst beigefügten Narkotisierung eines menschlichen Patienten. Doch während das plötzliche Einschlafen bei einer Narkose das Ziel ist und durch medikamentöse Eingriffe hergeleitet wird, ist es bei Narkolepsie ungewollt und nicht beeinflussbar von den Betroffenen.1
In Europa leiden Experten zufolge nur zwischen 26 und 50 von 100.000 Menschen unter Narkolepsie, das macht einen Anteil von etwa 0,005 Prozent der Bevölkerung aus. Zugleich schätzen die Fachmediziner die Dunkelziffer aber erheblich höher ein. Viele Betroffene, so ihre Einschätzung, vermuten hinter ihrer dauerhaften Müdigkeit keine diagnostizierbare Erkrankung.2 Dabei handelt es sich bei der Narkolepsie um eine organische Störung im Gehirn, welche durch das Fehlen des Nervenbotenstoffes Hypocretin ausgelöst wird. Dieses Fehlen kann bei etwa 90 Prozent der Betroffenen festgestellt werden.3
Hypocretin stabilisiert die Wachheit und nimmt so erheblichen Einfluss auf unser Schlaf-wach-Verhalten. Fehlt dieser Botenstoff oder ist nur in sehr geringen Mengen vorhanden, ist es nicht möglich, das Schlafverhalten zu kontrollieren. Das kategorisiert die Schlafkrankheit zu den neurologischen Erkrankungen.2,3
Welche Symptome treten bei Narkolepsie auf?
Das Hauptsymptom von Narkolepsie ist tatsächlich die sogenannte vermehrte Schlafneigung am Tag.1 Betroffene sind tagsüber im Vergleich zu nicht Betroffenen deutlich häufiger müde – unabhängig vom Schlafverhalten in der Nacht. Damit einher geht tatsächlich auch ein nicht kontrollierbares Einschlafen. Menschen mit der Schlafkrankheit können es nicht aufhalten und schlafen unweigerlich ein – wenn auch nur für wenige Minuten. Diese plötzliche Schläfrigkeit tritt bei den meisten Betroffenen während monotoner Tätigkeiten, wie etwa dem Lesen eines Buches auf.2 Einige Betroffene schlafen aber auch bei anderen Tätigkeiten, wie etwa dem Autofahren plötzlich ein.
Diese Störung im Schlaf-wach-Ablauf wird als Hypersomnie definiert. Häufig gehen auch Kataplexien, also komplettes Muskelerschlaffen, damit einher.1 Betroffene verlieren kurzzeitig und plötzlich die Spannung in der Gesichts-, Arm- und Beinmuskulatur auf beiden Seiten des Körpers. Ausgelöst wird die Kataplexie meist durch intensive Emotionen wie plötzliches Lachen, Freude oder Überraschung. In der Regel hält dieses Erschlaffen nur wenige Sekunden bis maximal zwei Minuten an. Viele Betroffene haben sie auch nicht im ganzen Körper, sondern nur in Teilen der Muskulatur.2, 4, 5
Ebenfalls häufig haben Betroffene eine Schlaflähmung und hypnagoge Halluzinationen, die vor dem unaufhaltsamen Einschlafen auftreten.1, 6 Ursache für diese Halluzinationen ist die überwältigende Müdigkeit. Wir alle kennen Situationen, in denen wir oder besonders Kinder in Übergangsphasen bei starker Müdigkeit leichte Halluzinationen haben, unsere Außenwelt also nicht mehr in ihrer Realität begreifen und unser Gehirn uns gewissermaßen austrickst. Bei Menschen, die unter Narkolepsie leiden, tritt dies mitunter häufiger auf und sie reden bei Übermannen der Müdigkeit womöglich etwas weniger in verständlichen Kontexten.
Ein weiteres Symptom, was typisch für eine Narkolepsie ist, ist ein stark fragmentierter Nachtschlaf.1 Denn die Störung im Schlaf-wach-Rhythmus betrifft bei vielen Betroffenen nicht nur die Müdigkeit am Tag, sondern eben auch das Unvermögen, nachts durchgehend schlafen zu können. Wobei es auch viele Betroffene gibt, die nachts problemlos schlafen.
Wie verläuft Narkolepsie?
Mediziner unterscheiden meist zwei Typen von Narkolepsie, wobei der eine Typ in vielen Fällen der Vorläufer des anderen ist. So beginnt die Schlafkrankheit meist mit dem Typ 2. Das ist eine Narkolepsie ohne Kataplexie, also ohne Muskelerschlaffen. Da dieses Erschlaffen sich meist erst innerhalb der ersten Monate oder sogar Jahre durch die Abnahme des Nervenbotenstoffes Hypocretin entwickelt, wechselt die Typisierung dann irgendwann in den Typ 1: Narkolepsie mit plötzlichem Erschlaffen der Muskulatur. In diesem Stadium produziert das menschliche Gehirn dann nur noch kaum bis gar kein Hypocretin, da die Nervenzellen, die dafür zuständig sind, abgestorben sind.7
Wie läuft die Diagnose ab?
Bei den meisten Betroffenen herrscht bereits ein hoher Leidensdruck vor, wenn sie eine Praxis aufsuchen. Der erste Ansprechpartner ist in der Regel die Hausärztin. Diese wird zunächst ein Schlaftagebuch empfehlen, in dem der oder die Betroffene zunächst detailliert festhält, wann er oder sie wie viel schläft, wie häufig und in welcher Intensität die Schläfrigkeit auftritt. Im nächsten Schritt kann ein Aufenthalt im Schlaflabor, sowie eine Blutuntersuchung weitere Klarheit bringen. Da die Erkrankung nur selten auftritt, gibt es auch eine Vielzahl an mineralischen Mängeln oder anderen Ursachen, die Grund für die Müdigkeit sein können. Spitzen sich alle Beobachtungen und Ergebnisse jedoch auf die Schlafkrankheit zu, so wird der Arzt einen Aufenthalt im Schlaflabor veranlassen, der dann Sicherheit über fehlendes Hypocretin geben kann.8
Wie wird Narkolepsie behandelt und was kann man vorbeugend tun?
Da es sich bei Narkolepsie um eine Autoimmunreaktion des Körpers handelt, gibt es keine präventiven Maßnahmen, die davor schützen können. Jedoch gibt es medikamentöse und nicht medikamentöse Behandlungsoptionen.9
Ärzte und Ärztinnen raten Betroffenen so zum Beispiel zu geplanten Powernaps. Wer 15 bis 30 Minuten schläft, ist danach meist super fit und kann eine längere Wachepisode gut konzentriert durchstehen.2 Auch empfehlen die Ärzte und Ärztinnen Betroffenen auf einen geregelten Tagesablauf mit diesen Powernaps zu achten und dabei stringent feste Zeiten einzuhalten.2 Dazu gehört auch die Vermeidung von Faktoren, die die Müdigkeit positiv beeinflussen können. Unter anderem zum Beispiel üppige Mahlzeiten, Konsum von Nikotin, Alkohol und Milchprodukten, da diese eher schlaffördernd wirken. Manche Fachärzte raten ihren Patienten und Patientinnen so zum Beispiel zum Verzehr von Milchprodukten am Abend, um den Nachtschlaf zu verbessern. Helfen soll zum Beispiel ein Glas warme Milch mit Honig. Das in der Milch enthaltene Tryptophan dient als Vorstufe, damit der Körper die Hormone Serotonin (Glückshormon) und Melatonin (Schlafhormon) bilden kann. Zudem vermittelt das Getränk Geborgenheit, weil es viele Menschen an ihre Kindheit erinnert. Somit erzielt das Getränk einen positiven Einfluss auf die Psyche und wird daher gerne genannt.10