Manchmal muss es einfach ein Glas Milch sein. Kalt und lecker – und auch so gesund. Oder? Warum aber haben dann so viele Menschen Bauch- oder Kopfschmerzen, wenn sie Milch getrunken haben?
Früher gab es einen Spruch: Milch macht müde Männer munter. Das bedeutete, dass Milch wegen ihrer reichlichen und gesunden Inhaltsstoffe als absoluter Kraftspender galt. Darum wurde Milch auch jahrzehntelang getrunken wie Wasser. Zum Frühstück, zum Mittagessen und zum Abendbrot stand sie auf dem Tisch, und auch wenn zwischendurch jemand Durst hatte, trank er – na klar – Milch. Dann kamen die 1980er-Jahre und es verbreitete sich plötzlich die Meinung, dass Milch gar nicht so gesund sei.
Zunächst waren es nur wenige Menschen, die das meinten. Sie stellten zum Beispiel einen Zusammenhang zwischen Bauchschmerzen, Durchfall, Abgeschlagenheit, Kopfschmerzen und Kuhmilch her – was vom Großteil der Bevölkerung allerdings nicht weiter ernst genommen wurde. Es bedurfte erst ein bis zwei Jahrzehnte Forschung, um den Milch-Kritikern eine Stimme zu geben.
Darum vertragen viele Menschen keine Milch
Heute ist wissenschaftlich belegt, dass sich bei den meisten Deutschen früher oder später eine, oftmals allerdings nur vorübergehende, Intoleranz gegen Milch und Milchprodukte entwickelt. Der Grund: Bei fast allen Menschen bildet sich die Produktion des Enzyms Laktase, das für die Verwertung von Milchzucker erforderlich ist, im Laufe des Lebens zurück. Irgendwann ist dann nichts mehr oder zu wenig davon da, um Milch verdauen zu können. In diesem Fall spricht man von einer primären Laktoseintoleranz.
Schwindet die Laktase, kann der Milchzucker, in Fachsprache auch Laktose genannt, im Darm nicht weiterverarbeitet beziehungsweise nicht über die Darmschleimhaut ins Blut aufgenommen werden. Damit er das könnte, müsste er in seine Einzelteile aufgespalten werden – das sind auch wieder unterschiedliche Zuckerarten wie Glukose und Galaktose. Ist zu wenig Laktase da und nimmt man über die Nahrung mehr Milchzucker auf, als gespalten werden kann, bleibt ungespaltene Laktose im Dünndarm zurück und wandert im Ganzen in andere Bereiche des Darms, zum Beispiel in den Dickdarm. Dort freuen sich die natürlich vorkommenden Bakterien über das umfangreiche Nahrungsangebot. Sie kosten es aus – und lassen dann ihre eigenen Verdauungsrückstände und Abbauprodukte zurück. Dazu gehören zum Beispiel Gase wie Wasserstoff, Kohlenstoffdioxid oder Methan. Die Folge: Der menschliche Darm bläht sich auf, es kann zu Bauchschmerzen, Blähungen, Völlegefühl, Übelkeit, aber auch Kopfschmerzen und Abgeschlagenheit kommen.
Wie wird eine Laktoseintoleranz diagnostiziert?
Da viele Betroffene bis zum Auftreten erster Symptome vielleicht das ganze Leben lang Milch getrunken wurde, kommen sie nicht auf die Idee, ihre Beschwerden damit in Zusammenhang zu bringen. Zudem schwankt die Enzymproduktion bei den meisten Menschen so, dass sie Milchprodukte ab und zu noch beschwerdefrei genießen können, an anderen Tagen aber bei kleinsten Mengen schon unter unangenehmen Symptomen leiden. Auch das macht die Diagnose schwierig.
Um sicher zu sein, dass die Symptome tatsächlich von einer Laktoseintoleranz ausgelöst werden, sollte man im ersten Schritt etwa vier Wochen lang ein strenges Ernährungstagebuch führen, um so einen möglichen Zusammenhang zwischen Lebensmitteln und Beschwerden herstellen zu können. Besteht der Verdacht, dass wirklich die Milch der Übeltäter sein könnte, führt der Arzt einen sogenannten H2-Atemtest durch. Dafür wird unter ärztlicher Aufsicht eine Mischung aus Wasser und Laktose getrunken. Anschließend wird in einem Zeitraum von bis zu drei Stunden alle 10 bis 30 Minuten mit einem speziellen Gerät der Wasserstoffgehalt (H2) der Atemluft gemessen und mit einem zuvor genommenen „Nüchtern“-Wert verglichen. Steigt die Konzentration über ein bestimmtes Maß, ist von einer Intoleranz auszugehen.
An einer echten Intoleranz leiden in Europa nur rund 15 Prozent der Bevölkerung, bei einer noch geringeren Menge ist sie angeboren. Dann heißt sie Alaktie. Andererseits verträgt etwa ein Drittel der Deutschen Milch bis ans Lebensende uneingeschränkt. Bei ihnen sorgt wiederum eine Genmutation dafür, dass die Laktase zwar in geringen Mengen, aber dennoch ständig produziert wird.
In Afrika und Asien sind bis zu 90 Prozent der Bevölkerung von einer Laktoseintoleranz betroffen.
Was ist eine sekundäre Laktoseintoleranz?
Neben der primären gibt es auch noch die sekundäre Laktoseintoleranz. Hierbei wird die Produktion des milchzuckerspaltenden Enzyms durch eine Erkrankung der Darmschleimhaut ausgelöst. Zu den möglichen Ursachen zählen zum Beispiel Entzündungen der Darmschleimhaut, Autoimmunerkrankungen wie Morbus Crohn oder Zöliakie (Gluten-Unverträglichkeit), schwere Magen-Darm-Grippen oder auch Operationen des Magen-Darmtraktes. Die sekundäre Laktoseintoleranz kann sich im Gegensatz zur primären allerdings wieder zurückbilden, wenn sich die Schleimhäute im Magen-Darmtrakt wieder regeneriert haben. Passiert das nicht, wird auch diese Form der Intoleranz chronisch. Wichtig ist, beide Formen der Laktoseintoleranz von einer Milchallergie zu unterscheiden. Bei einer Allergie treten die Symptome – die ähnlich sein können – nahezu unmittelbar nach dem Verzehr, üblicherweise bis zu einer halben Stunde danach, auch schon nach kleinsten Mengen, bedeutend heftiger und vor allen Dingen immer auf. Eine allergische Reaktion kann zudem schwere Verläufe haben, da sie zu Schwellungen im Nasen-, Mund- und Rachenbereich, zu Atemnot, Blutdruckabfall und zu Bewusstlosigkeit führen kann.