Lässt das Baby lange auf sich warten oder liegen Komplikationen vor, kommt eine Geburtseinleitung in Betracht. Was das genau bedeutet und welche Methoden es gibt.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine Geburt eingeleitet, also medizinisch angestoßen, werden. Dies geschieht bei etwa 20 bis 25 Prozent aller Schwangerschaften.1 „Die Geburtseinleitung ist eine der häufigsten Maßnahmen in der Geburtshilfe“, sagt Prof. Sven Kehl, Chefarzt der Abteilung Geburtshilfe und Pränatalmedizin in der Klinik Hallerwiese in Nürnberg sowie Koordinator der Leitlinie „Geburtseinleitung“. Generell wird eingeleitet, wenn dadurch ein besseres Geburtsergebnis für Mutter und Kind erzielt werden kann als durch Abwarten.2 „Dass wir Geburten einleiten können, ist eine großartige Errungenschaft: Sie erlaubt es, Frauen auch in kritischen Situationen noch eine vaginale Geburt zu ermöglichen, statt nur die Option Kaiserschnitt zu haben“, so Kehl.
Zu den wichtigsten Gründen für eine Einleitung zählen:3
- Terminüberschreitung: In Deutschland wird eine Geburt meist 10 bis 14 Tage nach dem errechneten Geburtstermin eingeleitet, da ab diesem Zeitpunkt die Risiken für das Kind steigen.
- vorzeitiger Blasensprung
- Schwangerschaftsdiabetes der Mutter
- zu wenig Fruchtwasser
- unzureichendes Wachstum des Kindes im Mutterleib
- Bluthochdruck der Mutter in der Schwangerschaft
- sehr großer Säugling
„Es kommt auch vermehrt vor, dass sich Frauen ohne medizinischen Grund eine Einleitung wünschen, etwa wegen psychischer oder physischer Belastung durch die Schwangerschaft“, sagt Kehl. „Ab 39 Schwangerschaftswochen können wir dem nach individueller Beratung nachkommen, da Studien gezeigt haben, dass dann kein Unterschied zum abwartenden Vorgehen besteht, etwa was die Wahrscheinlichkeit für einen Kaiserschnitt angeht.“
Welche Methoden zur Geburtseinleitung gibt es?
Zur Einleitung einer Geburt stehen mechanische und medikamentöse Möglichkeiten zur Verfügung.4 „Vor zu kräftigen Wehen durch die Einleitung, dem „Wehensturm“, müssen Frauen in Kliniken mit viel Erfahrung keine Sorge haben“, sagt Kehl.
Medikamentöse Einleitung:
- Prostaglandine erweichen den Muttermund und können Wehen auslösen. Die hormonähnlichen Substanzen werden per Tablette oder Zäpfchen verabreicht. „Konsens ist, dass das synthetische Prostaglandin-E1-Analogon (Misoprostol) das wirksamste Medikament zur Geburtseinleitung bei einem unreifen Muttermund ist“, betont Kehl. 5
- Oxytocin: Ist der Muttermund schon reif, kann das Hormon Oxytocin per Infusion verabreicht werden. Der „Wehentropf“ sorgt dafür, dass sich die Muskulatur der Gebärmutter zusammenzieht und Geburtswehen eintreten.6
Während der medikamentösen Einleitung werden die Herztöne des Kindes per CTG (Kardiotokographie) überwacht.7
Mechanische Einleitung:
- Ballonkatheter: Der Muttermund wird mit einem speziellen Katheter vorsichtig gedehnt, um Wehen anzuregen. Vorteil: „Im Vergleich zu Medikamenten kommt es seltener zu einer übermäßigen Wehentätigkeit“, sagt der Geburtsmediziner.8 Nach einem Blasensprung darf die Methode wegen des erhöhten Infektionsrisikos nicht angewendet werden.9
- Weitere Möglichkeiten sind die manuelle Öffnung der Fruchtblase sowie die Eipollösung, bei der die Fruchtblase vom Gebärmutterhals getrennt wird – beides löst die Ausschüttung von Prostaglandinen aus.10
Wie lange dauert es, bis eine eingeleitete Geburt beginnt?
Die Dauer bis zur Geburt kann stark variieren. Die Medikamente wirken nicht bei jeder Patientin gleich schnell, Faktoren wie die Beschaffenheit des Muttermunds spielen eine Rolle. „Es können einige Stunden, aber auch mehrere Tage bis zur Geburt vergehen“, sagt Geburtsmediziner Kehl. „Dies bedeutet jedoch nicht, dass man immerzu Wehen hat.“ Meist gestaltet sich der Verlauf einer Geburtseinleitung in Etappen: Erst muss der Muttermund reifen, dann geht es um das Auslösen von Wehen. Die Einleitung soll den Körper einstimmen, eine eigene Wehentätigkeit zuzulassen. Manchmal braucht es mehrere Einleitungsversuche – und reichlich Geduld.
Welche Risiken bestehen bei einer eingeleiteten Geburt?
„Eine medikamentöse Geburtseinleitung kann zum Beispiel zu übermäßigen Wehen führen, die Stress für das Kind bedeuten“, erklärt Kehl. Besonders sorgsam wird eine Einleitung nach Kaiserschnitt oder anderen Operationen an der Gebärmutter geprüft, da die Risiken höher sind als bei einem natürlichen Wehenbeginn.11 „Nach einem Kaiserschnitt soll nicht mit Misoprostol eingeleitet werden“, sagt der Experte. „Denn das Risiko, dass es dadurch zu einem Riss in der Gebärmutter kommt, ist etwas erhöht.“12 Bei mechanischen Einleitungen kann die Infektionsgefahr für Mutter und Kind steigen.
Fazit
Die Geburtseinleitung ist häufig notwendig, um die Sicherheit von Mutter und Kind zu gewährleisten. Es gibt mechanische wie medikamentöse Verfahren, die auch kombiniert werden.13 Eine umfassende Aufklärung und individuelle Beratung der Frau sind entscheidend. In der Regel haben Mediziner und Medizinerinnen in größeren Kliniken und Pränatalzentren (eine spezialisierte medizinische Einrichtung, die sich auf die Betreuung von Schwangeren mit Risikofaktoren und Frühgeborenen konzentriert) die umfassendste Erfahrung.