Übergewicht: Was bringen Abnehmspritzen?

Ein Piks pro Woche und schon purzeln die Pfunde? Abnehmspritzen versprechen eine einfache Lösung für ein großes Gesundheitsproblem – starkes Übergewicht. Aber: Damit die verschreibungspflichtigen Präparate dauerhaft wirken, muss man sie ein Leben lang nehmen und dafür selbst bezahlen. Lang­fristige Risiken sind noch unklar. Da die Medikamente Nebenwirkungen haben können, ist eine ärztliche Beratung unerlässlich.

Was sind Abnehmspritzen?

Abnehmspritzen mit dem Wirkstoff Semaglutid (ein Wirkstoff, der ursprünglich zur Behandlung von Diabetes Typ 2 entwickelt wurde und den Appetit durch ein länger anhaltendes Sättigungsgefühl hemmt) können Menschen mit starkem Übergewicht helfen, deutlich an Gewicht zu verlieren – das haben Studien bewiesen. Ursprünglich wurde der Wirkstoff Semaglutid für Diabetes-Medikamente entwickelt. Er führt zu Gewichtsverlust, indem er über das Sättigungszentrum im Gehirn den Appetit hemmt und dafür sorgt, dass sich der Magen langsamer entleert.¹ Dafür imitiert Semaglutid die Wirkung des natürlichen Darmhormons GLP-1 (Glucagon-like peptide-1), das nach dem Essen aus dem Dünndarm freigesetzt wird und für das Sättigungsgefühl sorgt.² „Vereinfacht kann man sagen: Semaglutid täuscht dem Körper vor, dass er gerade Nahrung bekommen hat und führt zu einem länger anhaltenden Sättigungsgefühl“, sagt Monika Bischoff, Ernährungsexpertin am Zentrum für Ernährungsmedizin und Prävention Barmherzige Brüder Krankenhaus in München.³ „Bei Menschen mit starkem Übergewicht ist es enorm hilfreich, wenn sie deutlich weniger Hunger haben.“

Seit 2018 können Ärztinnen und Ärzte Semaglutid für die Therapie von Diabetes Typ 2 verschreiben – es ist im blutzuckerregulierenden Medikament Ozempic enthalten.⁴ Zur ergänzenden Behandlung von Adipositas (Übergewicht mit einem BMI über 30⁵) ist der Arzneistoff seit fast zwei Jahren in Deutschland unter dem Namen Wegovy erhältlich.⁶ Die Therapie soll mit kalorienreduzierter Ernährung und mehr Bewegung kombiniert werden. In Untersuchungen konnten Teilnehmende durchschnittlich 10 bis 15 Prozent ihres Ausgangsgewichts abnehmen.⁷

Wie werden die Abnehmspritzen angewendet?

Patienten und Patientinnen spritzen Semaglutid mit einem stiftähnlichen „Fertig-Pen“ einmal pro Woche unter die Haut von Bauch, Oberschenkel oder Oberarm.⁸ Die genaue Dosierung legt der behandelnde Arzt fest. Um den Körper an den Wirkstoff zu gewöhnen, beginnt die Behandlung in der Regel mit einer niedrigen Dosis, die stufenweise gesteigert wird.⁹

Für wen sind Abnehmspritzen geeignet?

Für Menschen mit Normalgewicht ist eine Behandlung mit Semaglutid nicht geeignet. Das Medikament Wegovy kann verschrieben werden:

• Bei Erwachsenen mit Adipositas (Ausgangs-Body-Mass-Index (BMI) über 30)
• Bei Erwachsenen mit Übergewicht (BMI 27 bis 30), wenn sie an mindestens einer Krankheit leiden, die durch das Übergewicht verursacht wird.
• Bei Jugendlichen ab 12 Jahren mit Adipositas BMI entsprechend dem 95. Perzentil (95 % der Gleichaltrigen haben einen niedrigeren BMI) und einem Körpergewicht über 60 kg.¹⁰ 

„Als erster Schritt zu einem gesunden Gewicht können Abnehmspritzen eine gute Unterstützung sein und ein Baustein von vielen in der Adipositas-Therapie,“ sagt Diplom Ökotrophologin Monika Bischoff. „Aber wirklich sinnvoll sind sie nur im Rahmen eines multimodalen Behandlungsansatzes, der Ernährungsberatung, Verhaltenstherapie und Bewegungstherapie kombiniert.“ Ansonsten nehme man sofort wieder zu, sobald man mit den Abnehmspritzen aufhört.

Welche Nebenwirkungen können auftreten?

Die Medikamente führen insbesondere anfangs häufig zu Magen-Darm-Problemen wie Durchfall oder Verstopfung, Übelkeit und Erbrechen.¹¹ Auch Kopfschmerzen, Schwindel und Müdigkeit, niedriger Blutdruck und schneller Herzschlag sind häufig.¹² „Etwa 40 Prozent der Betroffenen brechen die Therapie vorzeitig ab“, weiß Bischoff.¹³ Selten treten schwere Risiken wie Bauchspeicheldrüsenentzündungen und Gallenblasenentzündungen durch Gallensteine auf.¹⁴

Wie lange muss die Abnehmspritze genommen werden?

Adipositas ist eine chronische Erkrankung – es besteht ein lebenslanges Risiko, wieder zuzunehmen. Das heißt auch, dass viele stark übergewichtige Menschen Semaglutid dauerhaft nehmen müssten, um ihr Gewicht zu halten. „Allerdings zeigen erste Studien, dass nach neun bis zwölf Monaten das Gewicht nicht mehr weiter sinkt“, so Bischoff. „Ein nachhaltiger Benefit entsteht nur durch eine Lebensstil-Änderung und Ernährungsumstellung.“

Welche Alternativen gibt es, um Übergewicht abzubauen?

Es gibt mehrere wirksame Möglichkeiten, um Gewicht zu verlieren, von der Ernährungsumstellung bis hin zur magenverkleinernden Operation. „Bereits eine Gewichtsabnahme von fünf Prozent bringt gesundheitliche Vorteile mit sich,“ betont Expertin Bischoff. Erwiesenermaßen effektiv sind sogenannte Formula-Diäten, die für maximal zwölf Wochen eine oder mehrere Mahlzeiten ersetzen.¹⁵ Ähnlich wie bei den Abnehmspritzen wird durch die Formula-Diät das Hungergefühl reduziert. „Die Formula-Nahrungen enthalten viel Eiweiß, wenig Kohlenhydrate, aber auch wertvolle Fette, sodass es hier zu keiner Blutzuckerschwankung kommt“, so Monika Bischoff. „So lässt sich Heißhunger vermeiden.“ Die große Herausforderung nach Formuladiäten und Co. ist jedoch, das verlorene Gewicht zu halten. Deshalb ist immer eine langfristige Umstellung der Ernährungs- und vor allem Verhaltensgewohnheiten nötig.

Viele stark übergewichtige Personen profitieren daher am meisten von einer multimodalen Adipositas-Therapie. Sie werden dabei ein Jahr lang von einem interdisziplinären Team begleitet. „In den ersten drei Monaten nehmen die Teilnehmenden laut Leitlinien nur 800 bis 1200 Kalorien pro Tag auf, so schwinden 20 bis 30 Kilo“, weiß die Leiterin eines Adipositas-Zentrums. „Wer diese erste Phase durchhält, merkt, wie schnell sich die Lebensqualität verbessert. Das ist eine enorme Motivation, die die notwendige Ernährungsumstellung, Verhaltensänderung und neue Bewegungsroutine erleichtert.“