In jeder Lebenslage ruhig und entspannt sein? Ein Traum – aber für die meisten Menschen nur Theorie statt Praxis. Wie kann man es schaffen, zumindest überwiegend entspannt durchs Leben zu gehen?
Eine zu hohe Steuernachzahlung, das Kind hat Ärger in der Schule, der Chef drückt einem die vierte Zusatzaufgabe auf, die Einkaufstasche reißt und der Inhalt verteilt sich auf dem regennassen Bürgersteig – all das kann den Puls in die Höhe treiben. Bei dem einen eher, bei dem anderen später, bei dem einen stärker, bei dem anderen schwächer. Dabei wäre es am besten, jede dieser Situationen zunächst ruhig und besonnen so zu akzeptieren, wie sie ist und dann erst nachzujustieren – wenn nötig. Im Endeffekt bleibt sowieso nichts anderes übrig. Nur muss der eine zuerst seinen Puls beruhigen, während der andere mit kürzerer Atempause ohne größeren Stress handeln kann. Letzteres ist sicherlich die bessere Lösung. Denn wenn nicht nur die Einkaufstasche reißt, sondern man vielleicht in eine Diskussion einsteigen muss, lässt sich das mit kühlem Kopf besser durchziehen.
Das Geheimnis der Menschen, die sich von Missgeschicken, Ungerechtigkeiten oder Schicksalsschlägen nicht aus der Ruhe bringen lassen, heißt mentale Resilienz. Diese Mischung aus Widerstandfähigkeit und Anpassungsfähigkeit kann den Blick auf das Leben verändern und dafür sorgen, dass man sich von Krisen schneller erholt oder erst gar nicht so tief hineinrutscht wie Menschen ohne diese Widerstandskraft. Das Gute ist: In jedem von uns schlummert die mentale Resilienz – und sie lässt sich wecken und erhöhen. So dass man am Ende aus einer Krise im besten Fall sogar gestärkt herauskommt.
Drei Tipps, um die Resilienz zu stärken:
1. Schnelle Hilfe
Im ersten Moment und speziell für Entspannungs-Anfänger hilft es, zu atmen, statt sofort zu reagieren: Innehalten, Augen schließen tief Luftholen, die Luft kurz anhalten, ausatmen. Gut geeignet ist dafür der Atemrhythmus 4 Sekunden einatmen, 4 Sekunden anhalten, 4 (bis 8) Sekunden ausatmen. Diese Technik beruhigt direkt das vegetative Nervensystem. Außerdem werden die Gedanken durch den Fokus auf das Atmen daran gehindert, durcheinanderzupurzeln, in der ersten Aufregung falsche Schlüsse zu ziehen und dann unangebracht zu reagieren.
2. Vorbereitet sein
Ruhe ist Trainingssache. Zwar ist das Atmen eine gute Erste Hilfe-Maßnahme – damit die Stresshormone aber gar nicht erst hochfahren ist Übung wichtig. Genau wie Muskeln nur durch regelmäßiges Training (ohne besonderen Anlass) wachsen, wächst auch die Fähigkeit, entspannt zu bleiben nur, wenn wir sie regelmäßig trainieren. Und zwar auch dann, wenn es uns gut geht. Viele Menschen neigen in guten Zeiten dazu, die schlechten einfach zu vergessen – was im Prinzip ja auch gut ist, schließlich hilft es nicht, sich selbst mit Gedanken an negative Erlebnisse runterzuziehen. Aber es geht um das Bewusstsein, darum, sich für die nächste mögliche Krise vorzubereiten. Denn negative Ereignisse werden uns im Leben immer wieder begegnen. In diesen Situationen kann zum Beispiel auch eine innere Verteidigungsstrategie helfen, die im Notfall routinemäßig abgespult werden kann: Atemübungen, Sport, andere um Hilfe bitten, andere darum bitten, im eigenen Kopf aufzuräumen. Mit diesen Strategien hat man eine Basis für Sicherheit und Widerstandsfähigkeit.
3. Professionelle Hilfe holen
Eine Therapie kann helfen. Wer es allein gar nicht schafft, sich herunterzufahren, kann sich Hilfe vom Experten holen. Mit ständigen Knieschmerzen geht man schließlich auch zum Arzt. Warum also nicht mit ständigem Stressempfinden. Psychotherapeuten können den Grund erforschen, warum das Stresslevel vielleicht generell so hoch ist, dass es bei Kleinigkeiten schnell ans Limit gerät. Das bedeutet natürlich, sich mit sich selbst auseinandersetzen zu müssen und dem Reflex zu widerstehen, immer den Anderen/dem Schicksal/der Umwelt die Schuld an allem zu geben. Vielleicht ist der Chef ja gar nicht so böse, vielleicht signalisiert man selbst durch missverständliches Verhalten, dass man noch mehr arbeiten kann. Vielleicht ist man aus seiner eigenen Biografie heraus nicht in der Lage, Grenzen zu setzen. Mit einem Therapeuten oder einer Therapeutin kann man lernen, die Widerstandskraft nach und nach zu stärken und Strategien für mehr Wohlgefühl entwickeln. Denn wer sich insgesamt wohl fühlt hat eine weitaus größere Chance, auch in Krisensituationen ausgeglichen zu bleiben.