Unsere Lippen sind zart, ihre Haut ist dünn, darum brauchen sie speziell im Winter viel Pflege. Aber welche ist die richtige? Und was sollte man lieber lassen?
Trockene Heizungsluft in den eigenen vier Wänden, ein Spaziergang im Schnee bei Minusgraden oder ein eisiger Wind, der durch Mark und Bein geht – auf Umwelteinflüsse wie diese reagieren unsere Lippen äußerst empfindlich. Kein Wunder also, dass sie in den Wintermonaten ordentlich zu kämpfen haben. Das hat zwei einfache Gründe: „Die Lippenhaut ist sehr dünn und dadurch natürlich extrem empfindlich“, erklärt der Dermatologe Dr. Uwe Schwichtenberg. „Hinzu kommt, dass die Lippen im Gegensatz zu anderen Körperstellen nur wenige Talgdrüsen besitzen.“ Diese Drüsen sind aber wichtige Feuchtigkeits- und Fettspender. „Das heißt, unsere Lippen können sich von vornherein kaum selbst fetten.“ Erschwerend hinzu komme, dass die Aktivität der Talgdrüsen in der kalten Jahreszeit zurückgehe. „Die Eigenfettung der Haut nimmt in der kalten Jahreszeit von sich aus ab.“
Nicht über die Lippen lecken
Als ob das für die Haut nicht schon Stress genug bedeuten würde, sind wir selbst oft nicht ganz unschuldig an spröden und rissigen Lippen. Was viele nicht wissen, ist, dass Wasserkontakt die Lippen austrocknet – also auch der Kontakt mit Speichel. „Jeder denkt natürlich, dass man seinen Lippen etwas Gutes tut, wenn man sie mit der Zunge befeuchtet“, so der Mediziner. Tatsächlich sei dies jedoch eine schlechte Angewohnheit, die sogar zum sogenannten Lippenleck-Ekzem führen könne. „Das Gegenteil von trockener Haut ist nämlich nicht nasse Haut, sondern gefettete“, erzählt Schwichtenberg. „Durch das Lecken werden die Lippen weiter entfettet und die Barrierefunktion der Haut ist dahin.“ Ohne diesen natürlichen Schutzschild könne ungehindert Feuchtigkeit entweichen.
Lippen brauchen einen Schutzschild
Um seine Lippen zu pflegen, muss man den Schutzschild wieder herstellen. „Das heißt, es braucht einen Fettfilm auf der Haut, der eben möglichst dort bleibt, damit die Feuchtigkeit in der Lippe bleibt und nicht verdunstet.“ Womit genau jeder einzelne seine Lippen pflegt und schützt, sei dabei eine ganz individuelle Entscheidung. „Wenn ich meine Tochter frage, könnte sie mir da eine sehr detaillierte Auskunft geben“, weiß Uwe Schwichtenberg. „Tatsächlich muss aber jeder selbst schauen, mit welcher Lippenpflege er am besten zurechtkommt.“ Dermatologen bevorzugten natürlich grundsätzlich Pflegeprodukte, die möglichst simpel sind. „Fett in Wasser oder Wasser in Fett – je nachdem, wie kräftig man es haben möchte. Dann vielleicht noch ein wenig Glycerin als Lösungsvermittler, aber davon bitte nicht zu viel. Damit sind wir Hautärzte schon happy.“ Alle weiteren Bestandteile seien dazu da, um die kosmetische Akzeptanz des Produktes zu erhöhen. „Wir Dermatologen sind jedoch keine Freunde von Konservierungs- oder Duftstoffen.“ Diese könnten allergische Reaktionen hervorrufen. „Da muss man aber auch ganz klar sagen, dass sie für den Durchschnittsmenschen, der keine Konservierungsstoffproblematik oder Duftstoffallergie hat, unproblematisch sind.“ Hautärztin Dr. Uta Schlossberger rät allerdings von Stiften ab, die Silikonöle enthalten. „Sie sind schlecht, weil sie eher eine trockene Lippe verursachen.“ Einen ähnlichen Effekt hätten auch Pflegeprodukte mit Farbanteil.
Regelmäßig fetten gegen trockene Haut
„Natürlich ist es so, dass man Lippen häufiger eincremen muss als andere Stellen am Körper“, sagt Schwichtenberg. Eine Faustregel gebe es aber nicht. „Das hängt auch immer davon ab, wie groß die Belastung ist.“ Wenn man im Winter viel Zeit im Schnee verbringe oder wenn die Lippen im Sommer mit viel Wind, Sonne oder Salzwasser in Berührung kämen, sei das sehr belastend für die dünne Haut. „Dann muss man auch kontinuierlich fetten.“ Denn wenn die Lippe erstmal aufgrund mangelnder Elastizität einreißt, dann wird es schmerzhaft. „Weil die beiden Risskanten immer in Bewegung sind, dauert es lange, bis der Riss wieder verschwunden ist“, warnt der Arzt. „Deshalb lieber vorher konsequent und fleißiger sein, als am Ende hinterher zu hängen.“ Alternativen zum Pflegestift seien zum Beispiel Vaseline, die man gut über Nacht auf die Lippen auftragen könne, sowie Cremes – im Winter mit hohen Fettanteil, rät Uta Schlossberger. „Auch Honig funktioniert gut.“
Lippenpflegemythen und was dahinter steckt
Lippenpflege macht süchtig! Dieses Vorurteil hält sich hartnäckig. „Die Lippen werden nicht abhängig“, betont der Experte. Trotzdem enthalte diese Aussage auch ein Fünkchen Wahrheit. „Man findet allerdings das Gefühl von frisch gefetteten Lippen so schön, dass man es wiederhaben möchte.“ Bei dem ein oder anderen gehe das dann so weit, dass er oder sie nicht mehr darauf verzichten könne. Eine Kopfsache sei auch die Annahme, dass Pflegestifte die Haut noch trockener machen. „Auch hierbei handelt es sich wieder um ein Gefühl“, betont der Dermatologe. „Man weiß, wie sich die Lippe mit Pflege anfühlt, deshalb fühlt sie sich ohne plötzlich trockner an.“ Ständig sollte man dem Drang, seine Lippen zu fetten, allerdings nicht nachgeben. „Benutzt man durchgehend Lippenpflegestifte, verlernt die Schleimhaut, sich selbst zu versorgen“, ergänzt Uta Schlossberger.
Lippenpeeling – Sinn oder Unsinn?
Von dem Trend, die Lippen zusätzlich mit einem Peeling zu bearbeiten, sei er zunächst nicht überzeugt gewesen, sagt Uwe Schwichtenberg. „Bei genauerer Betrachtung macht es jedoch durchaus Sinn“, gibt er zu. Durch ein Peeling befreie man die Lippen von abgestorbenen Hautschuppen. „Wenn man die Haut darunter nach dem Peeling ordentlich fettet, tut man ihr durchaus etwas Gutes.“ Allerdings müsse man natürlich darauf achten, die gereizte Haut nicht zu verletzen, und auch das Einfetten im Anschluss dürfe man auf keinen Fall vergessen. Sonst schade es mehr, als es nütze.