Der Bizeps wölbt sich ein wenig. Die letzte Hantel ist gestemmt. Der Blick in den Spiegel drückt Zufriedenheit aus. Jetzt noch ein Eiweiß-Shake und das Training findet den perfekten Abschluss. Viele Trainierende im Fitness-Studio führen sich nach einer Einheit schnell eine große Menge Eiweiß zu. Prinzipiell ok. Aber auch notwendig?
Was ist Eiweiß eigentlich?
Zunächst: Eiweiß, auch Protein genannt, ist ein Baustoff des Körpers. „Mit ihm werden diverse Enzyme und Zellen gebildet“, sagt Tobias Purschke, examinierter Diätassistent im Klinikum Bielefeld. Auch für den Nährstofftransport im Körper von A nach B ist Eiweiß wichtig. Neben Fett und Kohlenhydraten ist Eiweiß einer von drei sogenannten Makronährstoffen.
Vor allem für die Muskulatur spielt es eine große Rolle – doch nicht ausschließlich, um einen Zuwachs zu erreichen. Allein für den Erhalt der Muskulatur ist das Eiweiß essentiell. Und so liegt die empfohlene Zufuhr, die die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) 2017 herausgegeben hat, bei 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag. Mittlerweile kann man die Werte aufgrund neuerer Studien laut Purschke etwas anheben. Breitensportlern etwa empfehlen Ernährungsberater um die 1,4 bis 1,6 Gramm. In dieser Größenordnung liegen auch die Werte für ältere Menschen. Gerade im Alter ist Eiweiß wichtig, sagt Purschke. „Denn es werden weniger Zellen neu gebildet, die Muskulatur wird schneller abgebaut und der Flüssigkeitshaushalt ist niedriger“, erklärt er.
Eiweiß-Shakes sind leicht verdaulich
Grundsätzlich kann man diese Mengen mit einer ausgewogenen Ernährung abdecken. Ein Mehrbedarf kann allerdings durch sportliches Training entstehen. Nicht immer ist dieser allein über die Ernährung einzuhalten. Denn um etwa den Bedarf von 2 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht beim professionellen Muskelaufbau zu decken, müsse man eine große Menge Fleisch, Fisch, Eier oder Hülsenfrüchte essen. „Das verträgt nicht jedes Verdauungssystem“, sagt Purschke. Der Griff zu Eiweiß-Shakes fällt da schon leichter, auch weil sie „ein geringes Volumen haben und leicht verdaulich sind“. Purschke betont, dass diese Art der Nahrungsmittelergänzung eher in den Leistungssport gehört. „Wir sprechen hier von denen, die es wirklich auf die Muskeln abgesehen haben. Die vier, fünf Mal ins Studio gehen und ein gezieltes Splittraining machen“, betont Purschke.
Doping-Risiko wird minimiert
Eiweiß-Shakes haben auch Nachteile. Durch den Prozess, in dem Proteine konzentriert zu Pulver verarbeitet werden, gehen andere Nährstoffe, etwa bestimmte B-Vitamine, verloren. „Deswegen empfiehlt man, solche Produkte nur zu sich zu nehmen, wenn der Bedarf nicht anders zu decken ist als sogenanntes Supplement“, sagt Purschke. Waren früher gelegentlich pharmazeutische Rückstände oder anabole Stoffe im Pulver zu finden, sorgt seit etwa 15 Jahren die Kölner Liste für sauberen Sport. Dort werden Nahrungsergänzungsmittel mit minimiertem Dopingrisiko geführt – wichtig und eine Absicherung für Unternehmen und Sportler.
Ist ein Eiweiß-Überschuss schädlich?
Ein „Zuviel“ an Eiweiß ist für den gesunden Menschen in der Regel nicht schädlich. Der Körper muss das Eiweiß aber auch benötigen. Ein potenzieller Überschuss wird verstoffwechselt und anfallende, möglicherweise die Niere belastende Abbauprodukte ausgeschieden. Die Niere ist so etwas wie das Reinigungssystem des Körpers. Auch das Blut wird dort gereinigt. Eine Art Filter sozusagen. Abbaubauprodukte gelangen dann über den Urin nach draußen. So etwa zum Beispiel Harnstoff. Dass dieser Vorgang allerdings ernsthaft schädigend für das Organ ist, dafür gebe es keine eindeutigen Studien, sagt Purschke. Doch besser ist, die Niere wird nicht unnötig belastet. Und Menschen, die ohnehin schon Nierenprobleme haben, müssen aufpassen: In diesem Fall können krankhafte Zustände auch verstärkt werden. „Dann sollte man es nicht übertreiben mit einer erhöhten Eiweiß-Zufuhr.“
Keine Allheilmittel
Wer jetzt denkt, dass allein Protein-Shakes dabei helfen, Muskeln aufzubauen, der ist schief gewickelt. Viel zu schnell nämlich würden Trainierende, insbesondere Jugendliche, zu den vermeintlichen Wundermitteln greifen, sagt Purschke. Der falsche Weg. Zunächst gilt es, eine grundlegende Muskulatur aufzubauen: „Man muss den Leuten die Hintergründe erst einmal erklären und die Shakes nicht direkt an die Hand geben. Protein-Shakes und andere ergänzende Stoffe wie Kreatin sind daher mit Vorsicht zu genießen und gehören wie bereits erwähnt in den professionellen Kraftsport. Für jemanden, der zwei- oder dreimal ins Fitnessstudio geht, ein bisschen Ausdauer und ein paar Geräte macht, sind sie eigentlich nichts“, sagt der Experte und ergänzt: „Ansonsten ist es derzeit eher ein Lifestyle-Produkt.“
Sinnvolle Ergänzung
Ausnahmen: Kranke Menschen, die vielleicht bettlägerig sind, mangelernährt oder an Störungen der Nährstoffaufnahme leiden. Auch die müssen ihre Muskulatur erhalten oder aufbauen und müssen einen labortechnisch nachgewiesenen Eiweißmangel ausgleichen. „Setzt man ihnen ein Stück Fleisch vor die Nase, werden sie es nicht anrühren, weil die Kraft zu kauen vielleicht nicht da ist oder auch die Konsistenz zuwider“, so Purschke. In solchen Fällen könne man ihnen mit ein bis zwei gehaltvollen Shakes am Tag unter die Arme greifen.