Magensäureblocker sind beliebt. Sie können aber erhebliche Nebenwirkungen hervorrufen. Prof. Dr. Gerd Glaeske, Co-Leiter der Abteilung Gesundheit, Pflege und Alterssicherung an der Universität Bremen – SOCIUM, klärt auf.
Herr Professor Glaeske, was genau sind Magensäureblocker?
Magensäureblocker bzw. Protonenpumpenhemmer sind Mittel, mit denen die Säureproduktion im Magen nahezu vollständig unterdrückt werden kann – sowohl die ständige als auch die speziell beim Essen gebildete Säure. Mittel wie Omeprazol oder Pantoprazol hemmen in den säureproduzierenden Zellen in der Magenschleimhaut einen Eiweißstoff, der dafür sorgt, dass die Säure mit Hilfe einer sogenannten Protonenpumpe in den Magen freigesetzt wird. Dadurch lassen Schmerzen durch einen Säureüberschuss schnell nach und Geschwüre in Magen und Zwölffingerdarm sowie Speiseröhrenentzündungen heilen schneller ab.
Laut Arzneimittelverordnungs-Report wurden sie zuletzt fast dreimal so oft verordnet wie vor zehn Jahren. Woran liegt das?
Die Mittel werden neuerdings offenbar oft gleichzeitig mit bestimmten Schmerz- oder Rheumamitteln wie Acetylsalicylsäure oder Diclofenac eingesetzt, um die Schleimhaut im Magen und im Zwölffingerdarm vor Entzündungen und Blutungen zu schützen. Häufig werden sie auch bei älteren Menschen angewendet, die viele Arzneimittel gleichzeitig einnehmen müssen. Dieser „Magenschutz“ wird meist bei einem stationären Krankenhausaufenthalt begonnen und dann ambulant weitergeführt.
Gleichzeitig sind sie in der jüngsten Zeit aber in die Kritik geraten …
Immer wenn bestimmte Arzneimittel auffällig häufig und breit eingesetzt werden, dann schaut man sich das Verhältnis von Nutzen und Risiken noch einmal besonders genau an. Insofern ist es völlig richtig, die häufige Anwendung dieser Mittel genauer zu beobachten. Das hat nichts mit Panikmache zu tun, sondern mit einer sinnvollen Überlegung, in welchen Situationen diese wirksamen Mittel auch richtig angewendet werden.
Welche Nebenwirkungen oder Komplikationen können auftreten?
Aus Tierversuchen war schon lange bekannt, dass Protonenpumpenhemmer die Knochendichte und damit die Knochenfestigkeit verringern. Auch Beobachtungen bei Menschen, die diese Mittel dauerhaft einnehmen, weisen auf ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche wie Oberschenkelhalsbrüche hin. Dies ist dann besonders problematisch, wenn bereits eine Osteoporose besteht. Zu Beginn der Behandlung kann zudem das Risiko für eine Lungenentzündung erhöht sein, auch für schwere Darminfektionen. Wenn heftige Durchfälle auftreten, sollte daher sofort der behandelnde Arzt aufgesucht werden. Darüber hinaus können Allergien auftreten und ein Vitamin-B12-Mangel. Nach einer Einnahmezeit von mehr als drei Monaten kann die Konzentration von Mineralsalzen im Blut absinken und es kann zu Herzrasen, Muskelzittern oder Muskelkrämpfen kommen. Auch können die Mittel die Wirksamkeit von Pilzmitteln verringern, und der Abbau von Methotrexat, ein Wirkstoff, der bei Krebserkrankungen oder bei rheumatoider Arthritis gegeben wird, kann verzögert werden, sodass schwerwiegende Nebenwirkungen auftreten können. Die Wirkung von Diazepam etwa in Valium kann verstärkt werden. Wenn die Leberfunktion gestört ist, sollte gut überlegt werden, ob Protonenpumpenhemmer überhaupt angewendet werden. Eine längerfristige Einnahme über Wochen und Monate sollte auf jeden Fall immer von einem Arzt verordnet und begleitet werden. Bei der Einnahme solcher Mittel ohne Rezept sollten sie nicht häufiger als dreimal pro Jahr über maximal zwei Wochen eingenommen werden.
Kann man sonst davon abhängig werden?
Nein, eine Abhängigkeit im eigentlichen Sinne wird sich nicht einstellen. Es kann aber sein, dass viele Menschen nur ungern von diesen Mitteln wieder lassen, weil sie sich nach der Einnahme besser fühlen.
Kann man das Medikament bei Problemen einfach absetzen und die Nebenwirkungen verschwinden?
Ein Medikament sollte nie ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt abgesetzt werden. Es ist wichtig, mit ihm über Probleme zu sprechen und nach Alternativen zu suchen, wenn das Mittel nicht mehr angewendet werden kann. Beim Absetzen werden in den meisten Fällen die unerwünschten Wirkungen verschwinden. Bei anderen, wie etwa bei einem Mangel an Mineralstoffen, müssen dann aber bestimmte Arzneimittel eingenommen werden, um den Mangel zu beseitigen.
Was kann man also tun?
Vor einer Langzeittherapie müssen sehr genau die individuellen Risiken der einzelnen Patientinnen und Patienten in Erwägung gezogen werden. Auf diese Weise können Probleme, wenn schon nicht ganz vermieden, so doch verringert werden. Das alles zeigt aber, dass Protonenpumpenhemmer immer nur dann eingesetzt werden sollten, wenn der zu erwartende Nutzen die Risiken übersteigt.
Was können Menschen tun, die überhaupt nicht auf den Magensäureblocker verzichten können?
Nie eigenmächtig die Dosierungen oder die Einnahmehäufigkeiten verändern, weil dadurch die unerwünschten Wirkungen verstärkt werden können.