Was ist eigentlich eine Hyposensibilisierung?
Laufende Nase, Hautausschlag, tränende Augen – typische Symptome einer Allergie. Eine Hyposensibilisierung hilft, die lästigen Beschwerden zu lindern. „Die Therapie soll den Körper gegenüber dem Auslöser der Allergie toleranter machen und eine Umprogrammierung des Immunsystems erreichen“, sagt die Allergologin Prof. Dr. Bettina Wedi, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI).1
Den Patientinnen und Patienten wird dabei wiederholt eine winzige Menge des Allergens in Form von Injektionen oder Tabletten verabreicht und die Dosis schrittweise erhöht. In der Folge gewöhnt sich das Abwehrsystem daran und die Beschwerden nehmen ab.2
„Eine Hyposensibilisierung, auch spezifische Immuntherapie genannt, ist nach wie vor die einzige ursächliche Therapie“, betont Wedi. Die Behandlung ist sinnvoll, wenn starke Beschwerden bestehen und das Allergen nicht vermieden werden kann.3
Wie funktioniert die Hyposensibilisierung bei Allergien?
Das Immunsystem reagiert bei Allergikerinnen und Allergikern überempfindlich auf einen an sich harmlosen Stoff wie Baumpollen. Um sich vor dem vermeintlich schädlichen Allergen zu schützen, stellt der Körper Antikörper her – Eiweiß-Zucker-Verbindungen, die im Blut kreisen, um Fremdstoffe abzuwehren.4
Die Antikörper sind Teil einer Kettenreaktion, bei der der Körper Entzündungsbotenstoffe wie Histamin ausschüttet.5 Diese rufen die Beschwerden hervor. Mit einer Hyposensibilisierung lassen sich bestimmte Allergien behandeln. Dazu zählen zum Beispiel Heuschnupfen, Hausstaub- und Insektengiftallergien sowie Allergien auf Tierhaare. Diese Allergien werden als „Allergien vom Soforttyp“ bezeichnet.6 Am Anfang führt die Ärztin oder der Arzt einen Allergietest durch, um das Hauptallergen zu identifizieren. Zugelassene Therapie-Allergene gibt es für Pollenallergien (Gräser-, Getreide-, Kräuter- und Baumpollen), für Hausstaubmilben sowie Bienen- und Wespengift.7 Eine Hyposensibilisierung ist auch mit Therapie-Allergenen möglich, die nicht zugelassen sind – etwa bei einer Allergie gegen Katzenhaare.8 Dabei ist jedoch nicht garantiert, dass immer mit ausreichend wirksamen Zusammensetzungen behandelt wird.
Hintergrund: Seit der „Therapie-Allergene-Verordnung“ (TAV)9 von 2008 sind viele Präparate von früher für die Hyposensibilisierung nicht mehr erhältlich. Ziel der TAV ist, dass die Therapie-Allergene in Studien ihre Wirksamkeit bewiesen haben.10 Expertin Wedi: „In der momentanen Übergangszeit empfehle ich, sich zu informieren und beim Arzt nachzufragen, wo es die beste Erfahrung gibt.“
Die gängigsten Methoden und Medikamente
Für eine Hyposensibilisierung stehen mehrere Darreichungsformen zur Verfügung:11
- Subkutane Immuntherapie (SCIT): Die Allergene werden mittels Spritzen, also Injektionen, unter die Haut verabreicht.
- Sublinguale Immuntherapie (SLIT): Die Allergene werden als Tropfen oder Tablette unter die Zunge gegeben.
- Orale Immuntherapie (OIT): Das Allergen-Extrakt wird etwa als Pulver geschluckt oder über das Essen aufgenommen, indem es zum Beispiel in Apfelmus oder Pudding eingerührt wird.
Bei SLIT und OIT nimmt man das Allergen in der Regel etwa drei Jahre lang täglich ein, als Tropfen, Tablette bzw. Pulver im Essen. Bei der SCIT gibt es neben der beschriebenen klassischen Hyposensibilisierung als Langzeittherapie auch noch eine sogenannte Kurzzeittherapie: Sie besteht aus circa sechs bis sieben Spritzen vor der Pollenflugsaison. Dieses Verfahren wird mindestens dreimal wiederholt – es läuft somit insgesamt auch über einen Zeitraum von drei Jahren.12
Besonders wichtig für den Erfolg einer Hyposensibilisierung ist, dass möglichst früh im Krankheitsverlauf behandelt wird. Die Therapie wird insbesondere für Kinder und Jugendliche empfohlen.13 „Aber auch für Erwachsene, wenn die Beschwerden noch nicht zu lange bestehen“, so die Allergologin.
Mögliche Nebenwirkungen der Hyposensibilisierung
Leichte Nebenwirkungen sind häufig, meist harmlos und von kurzer Dauer. Dazu zählen Niesen, tränende Augen, Müdigkeit und Kribbeln im Mundbereich sowie leichter Hautausschlag an der Einstichstelle.14
Die Hyposensibilisierung geht zudem sehr selten mit der Gefahr einer heftigen Überreaktion einher. Bei dieser können starker Juckreiz, Übelkeit sowie Atem- und Kreislaufbeschwerden bis hin zum anaphylaktischen Schock, einer besonders heftigen Form einer allergischen Reaktion, auftreten. Dann ist eine sofortige medizinische Behandlung nötig.15
„Das Risiko eines schweren Allergieschocks ist sehr gering“, betont die Expertin. „Laut Studien ist die Wahrscheinlichkeit bei der Therapie mittels Tabletten bzw. Tropfen noch etwas geringer als bei Spritzen.“ Daher bleiben Patientinnen und Patienten nach Verabreichen einer Injektion eine halbe Stunde unter ärztlicher Kontrolle. „Noch unwahrscheinlicher wird die Nebenwirkung, wenn man am Tag der Injektionen keinen Sport treibt, auf Saunabesuche und Alkohol verzichtet und die Therapie nicht während eines Infekts durchführt“, sagt Wedi.16
Hyposensibilisierung bei Heuschnupfen
Wer an Heuschnupfen leidet, ist allergisch gegen Pollen, also den Blütenstaub von Pflanzen.17 Heuschnupfen tritt saisonal mit dem Pollenflug auf. Besonders häufig sind Reaktionen auf Gräser- und Getreidepollen, frühblühende Bäume und einige Kräuter. Die Hyposensibilisierung wirkt bei rund 80 Prozent der Pollenallergikerinnen und Pollenallergiker.18 „Bereits zur nächsten Allergiesaison nach Start der Behandlung kann man mit einer Besserung rechnen“, sagt Expertin Wedi.
Fazit
Die Hyposensibilisierung ist die einzige Therapie, die die Ursache einer Allergie bekämpft und bei gewissen Allergien zu völliger Symptomfreiheit führt, indem das Immunsystem umgeschult wird.19 Ansonsten hilft nur das Vermeiden des Allergieauslösers. Antihistaminika lindern die Symptome, beseitigen aber nicht die Überempfindlichkeit des Immunsystems gegen Pollen, Tierhaare und Co. Ob die Hyposensibilisierung eine Option ist, sollte man mit dem Hausarzt oder einem Allergologen besprechen.