Das Gras der Weizenpflanze, bevor sie ihre Ähren ausbildet, wird als Vitamin- und Mineralstoffbombe bezeichnet. Was ist dran?
Weizengras reiht sich ein in die aktuellen Nahrungsmittel mit dem Stempel „Superfood“ und gesellt sich damit zu Spirulina, Quinoa, Goji, Acai & Co. Den Titel Superfood tragen sie alle, weil ihnen nachgesagt wird, voller Vitamine und Mineralstoffe zu stecken, dazu unter Umständen auch noch schlank zu machen, das Immunsystem zu pushen und die Verdauung zu optimieren. Einige von ihnen sollen sogar vor Krebs schützen können. Speziell Weizengras soll den Körper bei der Entgiftung unterstützen, indem es die Organe bei ihrer Arbeit ankurbelt. Außerdem soll es sich ausgleichend auf den Säure-Basen-Haushalt auswirken, das Blut reinigen, die Wundheilung fördern, das Hautbild verbessern und allgemein das Immunsystem unterstützen.
Heimischer Anbau
Ihre Power soll die Pflanze übrigens nicht in den Ähren, sondern in den Stängeln tragen. Die werden geerntet, noch bevor sich die Ähren ausbilden, dann meist getrocknet und gemahlen – darum gibt es Weizengras überwiegend als Pulver zur Nahrungsergänzung. Und darin stecken laut Herstellerangaben reichlich Eisen und Vitamin C, Ballaststoffe – und Chlorophyll, das speziell für die Entgiftung zuständig sein soll. Wissenschaftlich erwiesen ist das alles allerdings nicht. Man könnte fast sagen: im Gegenteil. Das enthaltene Chlorophyll zum Beispiel hat im menschlichen Körper keine andere Funktion als das aus anderen grünblättrigen Lebensmitteln wie zum Beispiel Blattsalate auch. Und die angepriesenen Eisen und Vitamin C-Werte liegen bei Dosierung des Weizengrases nach Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) nicht über denen von Vitamin C- oder eisenhaltigem heimischem Gemüse wie Brokkoli oder Spinat. 100 Gramm Weizengras und 100 Gramm Brokkoli enthalten nach Angaben des Max Rubner-Instituts, das Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, jeweils rund 97 Prozent der empfohlenen Tagesmenge an Vitamin C. Das Weizengras aber ist sehr viel teurer. Und der tatsächliche Gehalt darin kann dazu auch noch stark variieren, da er von Standort, Bodenbedingungen und vom Erntezeitpunkt abhängt. Theoretisch müsste also jede Produktion separat analysiert und dann auf der Packung deklariert werden. Zudem werden hitzeempfindliche Nährstoffe durch den Trocknungsprozess zerstört und es sollen sich laut einer Untersuchung von Öko-Test, die im April 2016 veröffentlicht wurde, selbst in Bio-Weizengraspulver Pestizide und Spuren von Mineralöl befinden. Der Grund: In vielen Erzeugerländern ist nicht genau definiert, was als biologischer Anbau gilt. Darum sollte, wer Weizengras konsumieren möchte, unbedingt darauf achten, solches aus heimischem Anbau zu kaufen.
Keine langen Transportwege
Und auch für Weizengras gilt, was für die meisten anderen Superfoods gilt: Um die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlenen Tagesdosen bestimmter Vitamine oder Mineralstoffe überhaupt durch das Nahrungsergänzungsmittel zu bekommen, müsste sehr viel davon gegessen werden. Beim Vitamin B12 wären das zum Beispiel rund 100 Gramm.
Was aber für Weizengras spricht: Es lässt sich problemlos in Deutschland anbauen, hat im Gegesatz zu exotischen Superfood-Sorten also keine langen Transportwege hinter sich, wenn es verarbeitet und verkauft wird. Dadurch ist es zumindest ökologisch betrachtet gut und dadurch ist auch die Qualität meist einwandfrei.