In Deutschland ist fast jede zehnte Frau von Endometriose betroffen. Angesichts dieser hohen Zahl verwundert es, dass die Krankheit in Medizin und Gesellschaft wenig Aufmerksamkeit bekommt. Ein Grund dafür ist, dass es für Ärzte oft schwierig ist, die Krankheit zu diagnostizieren. Bis zu zehn Jahre dauert es durchschnittlich, bis eine Betroffene die Diagnose „Endometriose“ erhält. Ein Überblick über Symptome, Therapiemöglichkeiten und den aktuellen Stand der Forschung.
Lea Kreissl ist eine von rund 190 Millionen Frauen weltweit, die eine Sache eint. Sie leidet unter „Endometriose“. 1 Eine Erkrankung, die bis dato nur selten im Rampenlicht der Öffentlichkeit stand. Für die betroffenen Frauen bedeutet sie jedoch mitunter eine lange Leidensgeschichte. Auf ihrem Blog2 erzählt Lea Kreissl ihre ganz persönliche Endometriose-Geschichte, macht anderen Betroffenen Mut und lässt diese auch zu Wort kommen. Die junge Frau aus Hannover möchte mit ihrem Engagement vor allem ein größeres Bewusstsein für die Krankheit schaffen. Denn daran mangelt es heutzutage nach wie vor – in Medizin und Gesellschaft. Die Krankheitsgeschichte von Lea Kreissl ist ein gutes Beispiel dafür, deren Beginn beschreibt sie wie folgt: „Dass ich quasi unfähig war, um meine Blutung herum irgendwas zu machen, ohne wirklich mehrfach am Tag Schmerzmittel in mich reinzuschmeißen wie Hustenbonbons, hat lange niemand, inklusive mir selber, hinterfragt. Von Endometriose war keine Rede. Von dieser Krankheit hatte ich zu dem Zeitpunkt auch noch nie gehört.“
Was ist Endometriose?
So wie der jungen Bloggerin geht es vielen Frauen. Endometriose ist für sie ein unbekanntes Land. Und auch vielen Ärztinnen und Ärzten fällt es schwer, die Krankheit überhaupt festzustellen. Im Durchschnitt dauert es bis zu zehn Jahre, bis eine Betroffene die Diagnose Endometriose erhält.3 Der Hauptgrund dafür ist, dass die heftigen Unterleibsschmerzen, die typisch für die Erkrankung sind, immer im Zusammenhang mit der Periode auftreten. Deshalb werden sie von Gynäkologen oft für sehr starke Regelschmerzen gehalten. Doch dahinter verbirgt sich mehr.
Bei Endometriose wächst Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutter. Es verirrt sich sozusagen an falsche Stellen im Körper und siedelt sich bspw. an den Eierstöcken, im Bauch- und Beckenraum, am Darm oder am Bauchfell an. Endometriose-Gewebe verfügt über die Eigenschaft, prinzipiell an jeder Stelle des Körpers wachsen zu können. In einigen Fällen kann es auch außerhalb des Bauchraumes, z. B. in der Lunge, vorkommen.4
Was sind typische Endometriose-Symptome?
Mit jedem Monatszyklus baut sich die Schleimhaut der Endometrioseherde auf und wieder ab. Das Blut der Herde kann aber – anders als bei der Monatsblutung – meist nicht aus dem Körper abfließen. Die Folge sind häufig schmerzhafte Entzündungen sowie Narben und Verwachsungen.5
Zu den oft beschriebenen Beschwerden und Symptome von Endometriose zählen unter anderem:6
- starke, oft krampfartige Schmerzen vor und während der Menstruation
- periodenunabhängige Unterbauchschmerzen
- Zwischenblutungen und starke Menstruation
- Schmerzen im Bauch und Rücken
- Schmerzen beim Stuhlgang und/oder Urinieren
- zyklische Blutungen aus Darm und/oder Blase
- Übelkeit und Erbrechen
- Blähungen, Durchfall, Verstopfung
Wie wird Endometriose diagnostiziert?
Die Diagnostik ist bei Endometriose eine der größten Herausforderungen. Dies hat vor allem damit zu tun, dass Endometriose eine sehr komplexe Erkrankung ist mit teilweise recht unspezifischen Symptomen. Die Beschwerden können unterschiedlich stark ausgeprägt sein und es können verschiedene Organe des Körpers betroffen sein. Fehldiagnosen wie etwa Entzündungen der Eierstöcke, psychogene Beschwerden oder Prämenstruelles Syndrom (PMS) sind keine Seltenheit.
Bei einem Verdacht auf Endometriose sind folgende Untersuchungen üblich:7
- Anamnese: Hier erfolgt ein ausführliches Gespräch über die Schmerzen und den allgemeinen Gesundheitszustand der Patientin.
- Tastuntersuchung: Hier sollten neben der gynäkologischen Untersuchung der Vagina auch Bauchdecke und Enddarm abgetastet werden. Die Untersuchung dient vor allem auch dazu, andere mögliche Ursachen für die Beschwerden zu entdecken.
- Ultraschall: Ein Ultraschall wird sowohl von der Vagina (vaginale Sonographie) als auch von der Bauchdecke aus (abdominale Sonographie) durchgeführt.
- Bildgebende Verfahren: Ärzte mit entsprechender Erfahrung können per Ultraschall Endometriose diagnostizieren (ausgenommen: Endometriose am Bauchfell). Manchmal wird man auch zum Radiologen für eine MRT überwiesen.
- operativer Eingriff: Bei einer Bauchspiegelung (Laparoskopie) können sowohl Endometriose-Herde festgestellt als auch entfernt werden.
Was passiert, wenn die Endometriose unentdeckt bleibt?
Für die Betroffenen hat Endometriose teilweise erhebliche Folgen – und das in allen Lebensbereichen, wie Prof. Dr. Thomas Kolben vom Endometriosezentrum der Uniklinik in München betont: „Die Schmerzen bei der Periode können die Patientinnen komplett außer Gefecht setzen – bis hin zu Ausfällen in Schule oder Job. Dies kann auch Konsequenzen für das psychische Wohlergehen der Patientinnen haben, da sich hieraus auch Auswirkungen auf das Sozialleben ergeben können bis hin zur Isolation.“
Endometriose-Experte Kolben weist auch darauf hin, dass es bei einer Nicht-Behandlung der Krankheit zu einer Chronifizierung der Schmerzen kommen könne. Außerdem seien starke Schmerzen beim Geschlechtsverkehr keine Seltenheit. Und besonders belastend: „Eine unerkannte Endometriose kann in manchen Fällen auch Grund für einen unerfüllten Kinderwunsch sein. Bei etwa einem Drittel der betroffenen Frauen geht man davon aus, dass sie Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden.“