Brot und Kuchen, Nudeln oder Fertigprodukte – was bei vielen regelmäßig auf dem Teller landet, lässt bei Menschen mit Zöliakie die Alarmglocken schrillen. Aber was steckt eigentlich hinter dem Begriff und was bedeutet die Diagnose für Betroffene?
Vor ein paar Jahren schwappte, angestoßen von zahlreichen Hollywood-Stars, ein Abnehmtrend aus den USA über den Großen Teich: die glutenfreie Diät. Das sorgte in Restaurants teils für skurrile Szenen, wenn zum Beispiel der Burger in der glutenfreien Version plötzlich nur noch aus Hackfleisch, Salatblatt und jeweils einer Scheibe Tomate und Gurke bestand. Was im ersten Moment amüsant klingt, ist für Menschen, die an Zöliakie leiden, leider Alltag und plötzlich gar nicht mehr so komisch. Sie müssen unter allen Umständen auf Gluten verzichten – und zwar für den Rest ihres Lebens, denn Zöliakie ist nicht heilbar.
Zöliakie: Was bedeutet das?
Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Betroffene auf Gluten, ein Klebereiweiß beziehungsweise Getreideeiweiß, reagieren. Auf die leichte Schulter nehmen sollte man diese chronische Erkrankung auf keinen Fall. Die große Gefahr bei Zöliakie besteht darin, dass das Immunsystem Gluten als schädlich einstuft, was zu einer Immunreaktion führt. Der Dünndarm entzündet sich und die Darmschleimhaut wird nachhaltig geschädigt. Die Europäische Stiftung für Allergieforschung (ECARF) beschreibt den Vorgang so: „Wenn Zöliakie-Betroffene glutenhaltige Nahrung aufnehmen, bildet der Körper wie bei einer Allergie Antikörper, die sich aber nicht nur gegen das Eiweiß selbst, sondern wie bei einer Autoimmunkrankheit auch gegen körpereigene Strukturen richten.“ Das wiederum hat zur Folge, dass lebenswichtige Nährstoffe vom Körper nicht mehr optimal aufgenommen werden können. Gewichtsverlust und Mangelerscheinungen sind die Folge. Warum genau das Immunsystem bei manchen Menschen Gluten als „Feind“ sieht, können Mediziner nicht sagen. Gesichert ist jedoch, dass ein höheres Risiko vererbt wird. Auch Umwelteinflüsse können eine Rolle spielen. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ist „etwa einer von 200 Menschen in Deutschland von Zöliakie betroffen“.
Alarmsignale: Welche Beschwerden haben Betroffene?
Bei den meisten Patienten äußert sich die Zöliakie durch einen gestörten Verdauungsapparat – Durchfall, Verstopfung, Blähungen, Erbrechen, Bauchschmerzen oder Appetitlosigkeit sind die Folgen. Aber auch Symptome wie erhöhte Schmerzempfindlichkeit, Blutarmut und Knochenschwund sowie Depressionen und Stimmungsschwankungen sind mögliche Alarmsignale. Wie heftig sich die Symptome äußern, ist unterschiedlich. Bei manchen reicht ein kleines Krümelchen, andere bemerken ihre Erkrankung erst nach Jahren oder nur durch Zufall. Dann sprechen Mediziner von einer subklinischen Zöliakie (auch asymptomatische oder stille Zöliakie genannt). Diese sollte nicht unterschätzt werden, denn auch wenn sich die Erkrankung nicht durch unangenehme Symptome äußert, wird die Darmschleimhaut auch bei einer subklinischen Zöliakie geschädigt.
Endlich Gewissheit: Wie wird eine Zöliakie diagnostiziert?
Besteht der Verdacht, dass eine Zöliakie die Ursache für bestimmte Beschwerden ist, wird zunächst ein Antikörpertest durchgeführt. Dafür wird den Patienten Blut entnommen, welches auf bestimmte Immunglobuline, also Antikörper des Immunsystems, untersucht wird. Abgesichert werde die Diagnose schließlich durch eine Dünndarmbiopsie, so die Deutsche Zöliakie Gesellschaft. Damit eine gesicherte Diagnose erstellt werden kann, warnen Experten davor, die Glutenaufnahme eigenmächtig zu reduzieren: „Wichtig ist, dass man vor den Untersuchungen bei einem Verdacht auf Zöliakie für mindestens zwei bis drei Monate regelmäßig glutenhaltige Nahrungsmittel verzehrt hat. Wenn man bereits vor den Untersuchungen streng auf Gluten verzichtet hat, so lässt sich die Zöliakie meistens nicht mehr nachweisen.“
Verzicht auf Gluten: Leichte Übung oder Herausforderung?
„Dann verzichte ich halt auf Brot und Kuchen.“ – Das dürfte der Impuls bei den meisten Betroffenen sein. Ganz so einfach ist die Sache aber nicht. Gluten ist in Weizen, Roggen, Gerste und anderen Getreidesorten enthalten und damit in Form von Mehl und Körnern natürlich ein Bestandteil von Broten, Gebäck und Kuchen. Beim genauen Blick auf Zutatenlisten zeigt sich jedoch, dass es sich auch an anderer, ziemlich unerwarteter Stelle versteckt: zum Beispiel in Wurst und verarbeiteten Fleisch- und Fischwaren, in Eis und Fruchtshakes, in Fertiggerichten und Fertigsoßen und auch in Bier und Malzbier. Deshalb sollte man zunächst damit beginnen, die Lebensmittelvorräte zu prüfen und gegebenenfalls zu entsorgen oder zu verschenken. Leben zwei oder mehrere Personen in einem Haushalt, von denen aber nur eine betroffen ist, sollte man in Zukunft darauf achten, dass sich die Lebensmittel nicht vermischen. Denn: Wer unter Zöliakie leidet, muss nicht nur auf glutenhaltige Lebensmittel verzichten, sondern auch darauf achten, dass es zu keiner Kontamination mit Gluten kommt. Wichtig zu wissen: Zu einer Kontamination kommt es nicht nur, wenn Nahrungsmittel vermischt werden. Auch wenn glutenfreie Produkte mit denselben Küchengeräten und -utensilien in Kontakt kommen, mit denen vorher glutenhaltiges Essen zubereitet wurde, kommt es zur Kontamination. Ein gutes Beispiel sind Schneidebretter, auf denen bisher glutenhaltiges Brot geschnitten wurde. In den Rillen, die Messerklingen auf dem Brett hinterlassen, können sich Reste des glutenhaltigen Brotes absetzen und so auf glutenfreies Brot übertragen werden. Betroffene sollten deshalb auch bestimmte Küchenutensilien nach einer Diagnose ersetzen.
Leben mit Zöliakie
Wer sich nach der Diagnose mit dem Thema beschäftigt, wird schnell herausfinden, dass man auch mit Zöliakie lecker essen kann. Mittlerweile gibt es Dinge wie Pizzateig, Nudeln, Brot oder fertigen Tortenboden auch in der glutenfreien Variante. Noch besser und vielseitiger isst man natürlich, wenn man selbst kocht. Etwas schwieriger wird es, wenn man auswärts essen geht. Zwar gibt es auf vielen Speisekarten mittlerweile glutenfreie Gerichte, aber auch dann sollte man sich noch einmal rückversichern, dass es bei deren Herstellung nicht zu einer Kontamination kommen kann. Gleiches gilt auch, wenn man im Ausland unterwegs ist. Wer unsicher ist, kann sich Hilfe holen – zum Beispiel bei der Deutschen Zöliakie Gesellschaft. Der Verein hat es sich zur Aufgabe gemacht, über die Erkrankung aufzuklären und seine Mitglieder im Alltag zu unterstützen.
Unterschiede: Zöliakie, Glutenintoleranz und Weizenallergie
Sucht man online nach Hilfe, stößt man auf viele Begriffe, Diagnosen und Symptome. Da wird über Unverträglichkeiten, Allergien, Intoleranzen und andere Dinge gesprochen – aber was ist eigentlich was? Fakt ist, dass eine Glutenunverträglichkeit in Form von drei unterschiedlichen Krankheiten auftreten kann – zum Beispiel in Form der Autoimmunerkrankung Zöliakie. Weil diese Erkrankung am häufigsten auftritt, wird das Wort Glutenunverträglichkeit häufig als Synonym für Zöliakie verwendet. Damit wird allerdings ausgeblendet, dass es noch zwei weitere Formen gibt, die ebenfalls unter diesen Oberbegriff fallen: die Weizenallergie und die Glutensensitivität. Der Unterschied zur Zöliakie ist, dass es sich bei beiden nicht um eine Autoimmunerkrankung handelt. Zudem reagieren Betroffene bei einer Weizenallergie nicht nur auf Gluten, sondern auch auf andere Eiweiße, die in Weizen enthalten sind. Bei der Sensitivität handelt es sich um eine Intoleranz gegenüber Weizenbestandteilen. Auch hierbei kann Gluten ein Auslöser sein. Im Gegensatz zur Zöliakie und zur Weizenallergie müssen Betroffene aber nicht unbedingt ihr Leben lang auf glutenhaltige Lebensmittel verzichten. Vielmehr geht es darum, auszuloten, wie viel Gluten der Körper individuell verträgt.