Der Shutdown in der ersten Hochphase der Coronakrise hat viele Menschen stark belastet. Laufen kann in solchen Zeiten helfen, Stress abzubauen. Doch wer es vor Frust im Training übertreibt, läuft Gefahr, sich zu überfordern und zu verletzen.
Das Homeoffice mit seinen Videokonferenzen fordert einem schon alles ab, dazu das Homeschooling mit den Kindern und dann springt auch noch das Auto nicht an: An solchen Tagen schnüren viele entnervt die Laufschuhe und reagieren sich im Training ab. Doch das ist keine sehr kluge Entscheidung, denn in solchen Situationen besteht die Gefahr, dass der Stress, den Sie abschütteln wollen, nur durch neuen Stress verdrängt wird – was im schlimmsten Fall mit einer Laufverletzung und neuem Frust endet.
Wer erhöhte Anspannung auf solche Art zu lösen versucht, sollte wissen, dass der Körper in Stresssituationen zusätzliche Energie verbraucht, die ihm beim Sport dann nicht mehr zur Verfügung steht. Als Folge arbeitet die Muskulatur nicht so effektiv wie sonst und reagiert nicht so schnell wie gewohnt. Das zeigte eine im „Journal of Sports Medicine“ veröffentlichte Studie. Demzufolge waren Triathleten, die unter dem Einfluss angespannter Situationen in Familie oder Beruf standen, anfälliger für Verletzungen als solche, die keinen derartigen Stressfaktoren ausgesetzt waren.
Stress hemmt die Leistung
Eine weitere Studie – sie erschien im „British Journal of Sports Medicine“ – kam zu dem Schluss, dass sich Top-Athleten eher verletzten, wenn sie während eines belastenden Trainings wütend, aufgewühlt, müde, angespannt oder depressiv verstimmt waren. Für Freizeitsportler wie Sie bedeutet das, dass Sie nur dann hart trainieren oder an Wettkämpfen teilnehmen sollten, wenn Sie sich nicht gerade angespannt fühlen. Etwas Stress ist erlaubt, denn Hormone wie Cortisol und Adrenalin können sogar leistungssteigernd wirken, jedoch nur in geringer Dosis. Das gilt etwa für eine gewisse Vorstart-Nervosität. Dauerstress hingegen wirkt leistungshemmend und macht Sportler offenbar verwundbar. Bleibt der Cortisol-Spiegel zu lange auf hohem Niveau, funktionieren Muskulatur und Immunsystem nicht mehr optimal.
Wohlfühltempo finden
Was also tun, wenn man in einer stressigen Lebenssituation ist? Da Sie jetzt wissen, dass Stress nicht nur Ihre Leistung negativ beeinflussen, sondern Sie auch noch verletzungsanfälliger machen kann, sollten Sie diesen im Training unbedingt reduzieren: Legen Sie ab und zu eine Phase ein, in der Sie sich bewusst zurückhalten, etwa nach einem Wettkampfhöhepunkt zum Ende der Laufsaison. Was das fürs Trainingspensum bedeutet, hängt natürlich vom individuellen Leistungsstand ab. Am wichtigsten ist, die Trainingsintensität, also das Lauftempo, zu reduzieren.
Die hohen Tempi, bei denen man außer Atem kommt, sind es nämlich, die den Stress ins Lauftraining bringen. Das ist auch beabsichtigt, denn ohne solche „Reize“ kann man den Körper nicht dazu bringen, seine Leistungsfähigkeit zu steigern. Aber genau das darf in stressigen Lebensphasen nicht das Trainingsziel sein. Das Ziel muss jetzt sein, Entspannung im Laufen zu finden. Und das tut man im Wohlfühltempo bei etwas herabgesetzten wöchentlichen Kilometerumfängen und leicht reduzierter Intensität.
Gestresst? Laufen ist die beste Therapie!
Stress hat viele Erscheinungsformen. Was belastet Sie am meisten? Hier kommen Lösungen für drei typische Szenarien. Gehen Sie Ihr Lauftraining behutsam an und horchen Sie während Ihrer gesamten „Lauftherapie“ immer in Ihren Körper hinein. Werden Sie in gesundem Maße sensibel für seine Signale und für Ihre eigenen Bedürfnisse. Erspüren Sie, was sich bei Ihnen während des Programms in welcher Weise verändert. Wichtig: Sie dürfen und sollen sogar langsam laufen, am besten in einem Tempo, in dem Sie sich noch mühelos unterhalten könnten, idealerweise kombiniert mit Gehpausen, in denen sich die Laufmuskeln regenerieren können. Auf diese Weise trainieren Sie weit effektiver als durch „Auspowern“, das jetzt tabu ist! Die Belastung darf durchaus ein gewisses Gefühl der Anstrengung hervorrufen, aber keinesfalls als stressend, eher als lustvoll empfunden werden.
Falls es im Körper oder Kopf kneift, schrauben Sie das Pensum zurück. Rennen Sie niemals gegen Ihre physischen und psychischen Grenzen an. Versuchen Sie herauszubekommen, ob Sie lieber feste Strukturen, Vorgaben bezüglich der Laufzeit und Distanzen sowie Messungen zur Kontrolle bevorzugen oder ob Sie all das gar nicht brauchen und sich lieber frei und ganz nach Zeit und Laune bewegen wollen. Alle Formen des Trainings haben ihre Berechtigung. Hauptsache, Sie bewegen sich!
Stress-Szenario 1: „Der Job frisst mich auf“
Sie haben permanent einen prall gefüllten Terminkalender. Hast und Eile, aber auch Perfektionismus prägen Ihr berufliches und privates Leben. Gerade weil die Zeit für Privates äußerst knapp bemessen ist, müssen Sie für Regeneration, Ruhe, Freizeit und Entspannung feste „Termine“ in Ihrem Wochenkalender einplanen. Die Gesundheit hat Vorrang! Dreimal pro Woche sollten Sie sich körperlich betätigen.
Programm-Beispiel: Dienstag von 7:30 bis 8:30 Uhr leichtes Lauftraining. Langsames Laufen mit Gehpausen im Wechsel, variabel je nach Fitnessgrad – egal ob in heimatlichen Gefilden oder unterwegs auf Geschäftsreisen: Laufen oder schnell gehen kann man überall! Donnerstag von 19:00 bis 20:00 Uhr Fitnesstraining unter professioneller Anleitung und Aufsicht im Studio. Sonntag zwischen 7:00 und 12:00 Uhr Ausdauertraining: vorwiegend langsames Laufen, aber auch zügiges Radfahren, 600 bis 1000 Meter schwimmen oder auch zwei bis drei Stunden stramm wandern.
Stress-Szenario 2: „Mein Alltag ist so monoton“
Stress kann auch durch geistige Unterforderung entstehen. Dann ist ein Tag wie der andere: monoton, langweilig, leer. Man lebt ohne Höhen und Tiefen. Das Leben stellt keine besonderen Anforderungen, ist stressarm, stagniert. Die Folge: Sie fühlen sich unterfordert und können Ihre Fähigkeiten nicht entfalten. Viele Beschäftigte mit immer gleichen Arbeitsabläufen sind davon betroffen, darunter viele Mütter, die sich ständig um die Kinder kümmern. Programm-Beispiel: Um die Eintönigkeit des Alltags zu durchbrechen, gehen Sie am besten zu einem Lauftreff in Ihrer Nähe und schließen sich einer Gruppe von Laufeinsteigern an. Kaum etwas fördert Selbstwertgefühl, Gemeinsinn und Wohlbefinden so stark wie eine Laufgruppe. Mithilfe der Gruppe entwickeln Sie auch künftige Ziele – fürs Erste zum Beispiel 10 Minuten durchzulaufen oder sogar die Teilnahme an einem Schnuppervolkslauf über 3 oder 5 Kilometer. Später, wenn Sie dabeibleiben und sich sportlich weiterentwickeln, werden Sie auf Ihre neu gewonnene Fitness stolz sein und froh über die Abwechslung in Ihrem Leben. Dann können Sie Ihre Ziele sogar höher schrauben und eventuell winkt 2021 sogar die Teilnahme an einem 10-Kilometer-Lauf mit vielen anderen Läufern in einer schönen Stadt.
Stress-Szenario 3: „Selbst Kleinigkeiten fallen mir oft schwer“
Alltagsgestresste fühlen sich überdurchschnittlich oft gestresst von der Umwelt und überfordert von den Anforderungen und Belastungen des täglichen Lebens. Was Ihnen früher leicht von der Hand ging, wird plötzlich zum Problem. Sie fühlen sich ständig schlapp und ausgelaugt. Das pralle Tagesprogramm ist nur noch unter Mühen zu schaffen, oft auch gar nicht. 24 Stunden reichen nicht mehr aus, um alles zu schaffen, Zeit für sich selbst bleibt kaum.
Programm-Beispiel: Sanftes Aufbautraining nach einem 12-Wochen-Programm mit dem Ziel, 30 Minuten ununterbrochen langsam zu laufen. Trainiert wird an zwei Tagen pro Woche.
- Woche: 7-mal 1 Minute laufen, 2 Minuten gehen.
- Woche: 10-mal 1 Minute laufen, 1 Minute gehen.
- Woche: 7-mal 2 Minuten laufen, 1 Minute gehen.
- Woche: 5-mal 3 Minuten laufen, 1 Minute gehen.
- Woche: 4-mal 4 Minuten laufen, 1 Minute gehen.
- Woche: 3-mal 5 Minuten laufen, 1 Minute gehen.
- Woche: 3-mal 6 Minuten laufen, 1 Minute gehen.
- Woche: 2-mal 8 Minuten laufen, 1 Minute gehen, anschließend 3 Minuten laufen, 1 Minute gehen.
- Woche: 2-mal 12 Minuten laufen, 1 Minute gehen.
- Woche: 20 Minuten laufen, 3 Minuten gehen.
- Woche: 2-mal 18 Minuten laufen, 1 Minute gehen.
- Woche: 30 Minuten laufen.
Ist dieses Ziel erreicht, wird der Alltagsstress weitgehend verschwunden sein
Trainingspläne
Laufen zur Entspannung
So könnte Ihr Trainingsplan aussehen, wenn Sie beim Laufen in erster Linie Stress abbauen wollen und Ihre Leistungsfähigkeit für Sie zurzeit keine große Rolle spielt
Fitnessläufer
Sie laufen zweimal pro Woche. Ihre Anti-Stress-Devise: Nehmen Sie mit Gehpausen Druck aus der Laufeinheit.
- Woche
Mo 3 x 10 Min. Laufen mit jeweils 2:30 Min. Gehpause
Fr 3 x 10 Min. Laufen mit je 2:30 Min. Gehpause - Woche
Mo 3 x 10 Min. Laufen mit je 2:30 Min. Gehpause
Fr 2 x 12 Min. Laufen mit je 2:30 Min. Gehpause - Woche
Mo 3 x 12 Min. Laufen mit je 2:30 Min. Gehpause
Fr 2 x 15 Min. Laufen mit je 2:30 Min. Gehpause - Woche
Mo 3 x 15 Min. Laufen mit je 2:30 Min. Gehpause
Fr 2 x 20 Min. Laufen mit je 3:00 Min. Gehpause - Woche
Mo 3 x 15 Min. Laufen mit je 2:30 Min. Gehpause
Mi 30 Min. Laufen
Sa 3 x 15 Min. Laufen mit je 2:30 Min. Gehpause - Woche
Mo 3 x 15 Min. Laufen mit je 2:30 Min. Gehpause
Mi 30 Min. Laufen
Sa 3 x 15 Min. Laufen mit je 2:30 Min. Gehpause
Freizeitläufer
Sie laufen drei- bis viermal pro Woche und berücksichtigen im Training viele verschiedene Intensitätsbereiche. Ihre Anti-Stress-Devise: Lauftempo reduzieren.
- Woche
Mi 45 Min. ruhiger DL
Fr 80 Min. langsamer DL
So 50 Min. ruhiger DL - Woche
Mo 40 Min. ruhiger DL
Mi 50 Min. ruhiger DL
Fr 50 Min. ruhiger DL
So 80 Min. langsamer DL - Woche
Mi 45 Min. ruhiger DL
Sa 70 Min. langsamer DL
So 50 Min. ruhiger DL - Woche
Mo 40 Min. lockerer DL
Mi 50 Min. ruhiger DL
Fr 50 Min. ruhiger DL
So 80 Min. langsamer DL - Woche
Mi 40 Min. ruhiger DL
Sa 70 Min. langsamer DL
So 50 Min. ruhiger DL - Woche
Mi 50 Min. ruhiger DL
Sa 80 Min. langsamer DL
So 45 Min. ruhiger DL
Form erhalten, Stress meiden
So nehmen Sie Druck aus Ihrem Training, wenn Sie gerade besonders viel Stress im Leben haben
Wettkampfläufer (Mittelfeld)
Sie laufen mindestens vier- bis fünfmal pro Woche, kennen Intervalltraining und lange Läufe. Ihre Anti-Stress-Devise: Lauftempo und Zahl der Trainingseinheiten reduzieren.
- Woche
Di 15 Min. langsamer DL, 30 Min. Fahrtspiel, 15 Min. langsamer DL
Do 60 Min. ruhiger DL
Sa 15 Min. langsamer DL, 30 Min. lockerer DL, 15 Min. langsamer DL
So 80 Min. langsamer DL - Woche
Di 15 Min. langsamer DL, 30 Min. Fahrtspiel, 15 Min. langsamer DL
Do 60 Min. ruhiger DL
Sa 15 Min. langsamer DL, 3 x 10 Min. zügiger DL (Pause zwischen den Belastungen: 3 Min. Traben), 15 Min. langsamer DL
So 90 Min. langsamer DL - Woche
Mo 40 Min. ruhiger DL
Di 50 Min. ruhiger DL
Do 60 Min. langsamer DL
Sa 15 Min. langsamer DL, 30 Min. lockerer DL, 15 Min. langsamer DL
So 60 Min. ruhiger DL - Woche
Di 50 Min. ruhiger DL
Do 60 Min. ruhiger DL, 3 Steigerungen
Sa 50 Min. lockerer DL
So 100 Min. langsamer DL - Woche
Mo 40 Min. ruhiger DL
Di 15 Min. langsamer DL, 30 Min. Fahrtspiel, 15 Min. langsamer DL
Do 90 Min. langsamer DL
Sa 10 Min. langsamer DL, 3 x 12 Min. zügiger DL (Pause: 4 Min. Traben), 10 Min. langsamer DL
So 40 Min. ruhiger DL - Woche
Di 15 Min. langsamer DL, 30 Min. Fahrtspiel, 15 Min. langsamer DL
Do 50 Min. ruhiger DL
Sa 15 Min. langsamer DL, 30 Min. zügiger DL, 15 Min. langsamer DL
So 90 Min. langsamer DL
Wettkampfläufer (Spitze)
Sie laufen für gewöhnlich täglich, inklusive eines regelmäßigen Intervalltrainings und zügiger Dauerläufe. Ihre Anti-Stress-Devise: Laufintensitäten zurückfahren.
- Woche
Mo 70 Min. ruhiger DL
Di 15 Min. langsamer DL, 35 Min. Fahrtspiel, 15 Min. langsamer DL
Do 75 Min. ruhiger DL plus 3 Steigerungen
Fr 60 Min. lockerer DL
Sa 15 Min. langsamer DL, 40 Min. gesteigertes Tempo, 15 Min. langsamer DL
So 90 Min. langsamer DL - Woche
Mo 60 Min. ruhiger DL
Di 15 Min. langsam. DL, 40 Min. Fahrtspiel, 15 Min. langsamer DL
Do 90 Min. ruhiger DL plus 3 Steigerungen
Fr 60 Min. lockerer DL
Sa 15 Min. langsam. DL, 45 Min. gesteigertes Tempo, 15 Min. langsamer DL
So 2:00 h langsamer DL - Woche
Mo 70 Min. ruhiger DL
Di 45 Min. lockerer DL
Mi 60 Min. langsamer DL
Do 75 Min. ruhiger DL, plus 3 Steigerungen
Fr 60 Min. lockerer DL
So 1:30 h langsamer DL - Woche
Mo 70 Min. ruhiger DL
Di 15 Min. langsam. DL, 35 Min. Fahrtspiel, 15 Min. langsamer DL
Do 75 Min. ruhiger DL plus 3 Steigerungen
Fr 60 Min. lockerer DL
Sa 15 Min. langsamer DL, 40 Min. gesteigertes Tempo, 15 Min. langsamer DL
So 90 Min. langsamer DL - Woche
Mo 60 Min. ruhiger DL
Di 15 Min. langsamer DL, 40 Min. Fahrtspiel, 15 Min. langsamer DL
Do 90 Min. ruhiger DL plus 3 Steigerungen
Fr 60 Min. lockerer DL
Sa 15 Min. langsamer DL, 45 Min. gesteigertes Tempo, 15 Min. langsamer DL
So 2:00 h langsamer DL - Woche
Mo 70 Min. ruhiger DL
Di 45 Min. lockerer DL
Mi 60 Min. langsamer DL
Do 75 Min. ruhiger DL plus 3 Steigerungen
Fr 60 Min. lockerer DL
So 1:30 h langsamer DL
Das richtige Tempo – Erläuterungen zu den Begriffen und Abkürzungen des Trainingsplans
DL = Dauerlauf;
Langsamer DL: Puls etwa 70 bis 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz (HFmax);
Ruhiger DL: Puls etwa 75 bis 80 Prozent der maximalen Herzfrequenz;
Lockerer DL: Puls etwa 80 bis 85 Prozent der maximalen Herzfrequenz;
Zügiger DL: Puls etwa 85 bis 88 Prozent der maximalen Herzfrequenz;
Schnell: Puls etwa 90 bis 94 Prozent der maximalen Herzfrequenz;
Steigerungen: Lauf über eine Strecke von 80 bis 100 Metern, das Tempo wird kontinuierlich vom Trab bis zum Sprint gesteigert;
Fahrtspiel: Bei dieser Einheit variiert der Läufer das Tempo nach Lust und Laune, läuft also mal schnell und mal langsam nach Gefühl
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