Wer am Arbeitsplatz achtsam ist, kann Stress reduzieren und Konzentration sowie Produktivität verbessern. Wir zeigen, wie Achtsamkeit im Job funktioniert.
Wer kennt das nicht: Kaum hat man am Morgen den Laptop aufgeklappt, fühlt man sich schon wieder erschlagen von der Fülle an Aufgaben. Hier noch schnell eine Präsentation für ein wichtiges Meeting erstellen, da noch ein Angebot fertig machen und nebenbei die unzähligen E-Mails im Posteingang beantworten. Und jetzt ruft auch noch der Chef an – im Job ist man oft besonders herausgefordert und gerät schnell an Grenzen. Das Konzept der Achtsamkeit kann dabei helfen, mit diesen Herausforderungen besser umzugehen.
Was ist Achtsamkeit?
Der Psychologe und Vorsitzende des Berufsverbands der Vertragspsychotherapeuten, Benedikt Waldherr, definiert den Begriff wie folgt: „Unter Achtsamkeit wird allgemein die Aufmerksamkeit, Beachtung und die Wahrnehmung der eigenen Gefühle, Körperempfindungen, zum Beispiel des Anspannungsniveaus oder der Atmung, sowie der jeweiligen Umgebungsbedingungen verstanden.“
Das ursprüngliche Konzept der Achtsamkeit stammt aus der buddhistischen Lehre. Mit dem modernen Achtsamkeitsbegriff, wie wir ihn heute verwenden, wird allen voran das populäre Programm der „Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR)“ in Verbindung gebracht. Dazu weiter unten mehr.
Was bringt Achtsamkeit im Beruf?
In einem turbulenten Arbeitsalltag kann Achtsamkeit zahlreiche Vorteile mit sich bringen. „Man kann damit Stress vermeiden, Wichtiges von Unwichtigem unterscheiden, sich auf das Wesentliche besinnen und mehr im Einklang mit seiner Umgebung sein“, fasst Experte Waldherr die größten Benefits zusammen.
Studien belegen die Vorteile von Achtsamkeit im beruflichen Kontext. So fand zum Beispiel die Psychologin Ute Hülsheger und ihr Team in zwei Studien heraus, dass Achtsamkeit im Arbeitsalltag zu weniger Erschöpfung und einer höheren beruflichen Zufriedenheit führt.1 Eine Studie des Max-Planck-Instituts für Kognitions- und Neurowissenschaften konnte zeigen, dass Achtsamkeitsübungen das Stresshormon Cortisol senken. Forschende der University of Minnesota untersuchten Achtsamkeitstrainings in Bezug auf die Schlafqualität. Sie stellten fest, dass diese vermutlich zu einem längeren und erholsameren Schlaf beitragen können.2 Ein wichtiger Faktor auch für die Arbeit – denn ausgeschlafene Mitarbeitende sind leistungsfähigere Mitarbeitende.
Achtsamkeitsübungen und -techniken für den Job
Es gibt verschiedene Achtsamkeitsübungen und -techniken, die im Arbeitsalltag angewendet werden können. Psychologe Waldherr empfiehlt, vor allem die eigene Atmung wahrzunehmen – am besten in Verbindung mit Kurzpausen. „Eine Übung, die ich gerne in der Psychotherapie verwende, ist eine ‚Rauchpause ohne Zigarette‘. Interessanterweise atmen wir beim Rauchen besonders tief ein, um bei einem Lungenzug möglichst viel Nikotin zu inhalieren, und lange und gleichmäßig aus, während wir den Rauch ausströmen lassen. Wenn man so atmet, aber ohne Zigarette und Rauch, ist das eine gute Atemtechnik. Und Raucher haben irgendwie immer das Recht zu einer Rauchpause, das sollte man sich auch als Nichtraucher erlauben. Also Mut zur nikotinfreien Rauchpause!“
Neben Atemübungen und regelmäßigen Arbeitspausen können zum Beispiel auch Bewegung, etwa ein kleiner Spaziergang zur Mittagszeit, oder bewusstes Essen – also genügend Zeit für gesunde, ausgewogene Mahlzeiten – Bestandteil eines achtsamen Arbeitsalltags sein.
Auch Meditationsübungen, zum Beispiel mit der Meditations-App Balloon, können den Stress reduzieren.
Wer sich eingehender mit dem Thema Achtsamkeit auseinandersetzt, kommt nicht an der achtsamkeitsbasierten Stressreduktion (Mindfulness-Based Stress Reduction, kurz MBSR) vorbei. MBSR ist ein achtwöchiges Programm, das in den 1970er-Jahren von dem Molekularbiologen Dr. Jon Kabat-Zinn entwickelt wurde. Es wird weltweit im Gesundheitsbereich, in pädagogischen Einrichtungen oder Unternehmen praktiziert. Kurz gefasst handelt es sich um ein Trainingsprogramm für den Geist, welches meditative Übungen mit Ansätzen aus der modernen Psychologie und Stressforschung verbindet.3 Experte Waldherr meint: „MBSR ist eine gute Methode, um Achtsamkeit grundsätzlich zu erlernen. Es wird in vielen psychosomatischen Kliniken ausführlich vermittelt. Wenn man es so erlernt hat, ist es auch einfach in allen möglichen Alltagssituationen einsetzbar. Es ist gut erforscht und in seiner Wirksamkeit bestätigt.“ Allerdings gilt: Bei bestimmten psychischen Krankheiten kann MBSR nicht geeignet sein – oder nur mit entsprechend professioneller Begleitung.